Belle & Sebastian, die ewige Lieblingsband aller Wimps und unerbittlich romantischen Kassettenmädchen und Kassettenjungen, legen endlich die Karten auf den Tisch. Sie schreiben, wie sollte es anders sein, über die Liebe, die Königsdisziplin des Pop. Ehrlich gesagt machen sie das eigentlich schon seit nun beinahe 15 Jahren, auch wenn vom scheuen Rehaugen-Folk auf „Tigermilk“ bis zum galanten Revue-Pop von „The Life Pursuit“ sicherlich ein beachtlicher Weg zurückgelegt wurde.

Wichtig bleibt letztendlich nur, dass Stuart Murdoch und Co. sich über all die Jahre ihr kleines bisschen Verklemmung, diesen entzückenden, kleinen Stock im Arsch bewahrt haben, der sie mit nahezu traumwandlerischer Souveränität auf dem schmalen Grat zwischen naivem Kitsch und cleverem Storytelling wandeln und dabei nie das Gespür für die  richtigen, berührenden Gesten und Details vermissen ließ. Stil ist nicht alles, aber bei Belle & Sebastian befand er sich stets im Einklang mit der rechten Portion Herz und einem staunenden Rest an Unschuld, auch wenn aus den schüchternen Träumern von einst mit der Zeit ziemlich smarte Selbstvermarkter geworden sind (falls sie das nicht eh schon immer waren).

Wo Belle & Sebastian draufsteht, ist auch Belle & Sebastian drin. Und so trifft all das bisher gesagte natürlich auf „Belle & Sebastian Write About Love“ zu, das den mit „The Life Pursuit“ eingeschlagenen, von manchen Fans erster Stunde etwas argwöhnisch begutachteten Weg wieder in etwas ruhigere Bahnen lenkt, ohne dabei das über die Jahre erarbeitete Selbstbewusstsein  preiszugeben. Wozu auch, es gibt hier sogar ein Duett mit Schauspielerin Carey Mulligan und ein weiteres mit Norah Jones, das schon im Voraus für einigen Diskussionsstoff in der Fangemeinde sorgte. Doch dazu gleich mehr. Der von Sarah Martin gesungene Opener „I Didn’t See It Coming“, der erst vorsichtig schmeichelnd mit Klavierakkorden und zaghaften Jangle-Gitarren einsteigt, bevor er langsam Fahrt aufnimmt und in Form von Stuart Murdochs mantraartig wiederholtem „Make me dance / I want to surrender!“ zum Tanz auffordert, verbindet ziemlich perfekt die Tugenden der alten mit denen der jüngeren Belle & Sebastian ohne dabei irgendwelche Kompromisse einzugehen. Noch besser allerdings ist das in seinem Gestus zutiefst morrisseyeske „I Want The World To Stop“, das sich einige sehnsüchtig pathetische Bläser und Streicher ganz selbstverständlich nicht verkneifen kann, um dann mit der finalen Orgeleinnlage endgültig in den Olymp der allergrößten Songs dieser an großen Songs sicherlich nicht armen Band aufzusteigen. Das anschließende Stück mit Norah Jones, „Little Lou, Ugly Jack, Prophet John“, ist dann gar nicht mal unbedingt das schwächste Lied der Platte, steht aber mit der immer etwas zu streberhaft lasziv klingenden Stimme der Amerikanerin, die hier in aller Deutlichkeit das Regiment übernimmt, etwas verloren da. Carey Mulligan macht ihre Sache im anschließenden angenehm beschwingten Titelstück wesentlich besser, wenn auch eher dezent. Weiter geht es mit dem auffälligsten und aufgedrehtesten Stück des Albums: „I’m Not Living In The Real World“ klingt, als hätte Steve Jackson sich hier eines in den 90ern verschollenen Cornershop-Liedes angenommen um es mithilfe seiner überpräsenten Orgel noch weiter zurück in die 60er zu beamen.

Das wunderbar zwischen sympathischem Leisetretertum und großem Auftritt unentschlossene „The Ghost Of Rockschool“ mit seiner traurigen Trompete wäre schließlich nur ein weiteres Beispiel. Denn es spricht letztendlich wenig dagegen, dass auch aus „…Write About Love“ wieder ein ganzer Haufen Belle & Sebastian-Klassiker hervorgehen wird, zumal hier gekonnt alle Facetten der Band vermittelnd abgedeckt werden, anstatt dass wie beim letztjährigen Stuart-Murdoch-Projekt „God Help The Girl“ der leicht dilettantische Charme der Frühwerke in Manierismus erstickt würde. Was das Album aber vielleicht ein klein wenig hinter die wirklich allerbesten Veröffentlichungen der Band zurückfallen lässt, sind die paar Momente in denen das hier aufgefahrene Instrumenten-Brimborium, sei es nun der komplette Orchester-Anzug, sei es nur eine einzige Gitarre, nicht wirklich in einem kohärenten Song zusammenfinden will. Dann erinnern Belle & Sebastian immer nur für einige Sekunden  an eine etwas überambitionierte, klebrige Musical-Truppe. All die restromantischen Kassettenmädchen und Kassettenjungen da draußen werden ihnen dieses kleine bisschen Redundanz jedoch ganz sicherlich verzeihen können.

78

Label: Rough Trade / Beggars / Indigo

Referenzen: Camera Obscura, The School, Gigi, The Decemberists, The Delgados, The Go-Betweens, Prefab Sprout, Orange Juice, Jens Lekman

Links: Homepage, MySpace

VÖ: 08.10.2010

2 Kommentare zu “Rezension: Belle & Sebastian – Belle & Sebastian Write About Love”

  1. […] regulären CD-Ausgaben von Janelle Monaé, Pantha Du Prince, Twin Shadow, Sam Amidon, Gonjasufi, Belle & Sebastian, The Hold Steady, Ratatat, Magic Kids, Karen Elson und – wer erinnert sich nicht an diese […]

  2. […] es machte praktisch keinen Unterschied, ob nun Stücke von den ruhigen älteren oder den poppigen jüngeren Alben gespielt wurden: Tanzen konnte man zu allen gleichermaßen und alle schienen einander ebenbürtig […]

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