Schuppen, Haare und der Schweiß der letzten Tage und Nächte überziehen wie ein schmieriger Film den Körper. Es riecht nach Anstrengung, Arbeit und Dreck. The Black Angels sind wohl kaum die Hygienebeauftragten ihres Viertels in Austin, Texas. Sich selbst und ihren Instrumenten verlangen sie einiges ab: die Gitarren schwingen massig, das Schlagwerk wird stur geknüppelt, der Bass mit bulliger Motorik gespielt, während die Farfisa dazu aufreizend jault. Der Gesang gibt angestrengt sowieso alles in steter Verwandlung und kann sich zwischen Jefferson Airplane und Amon Düül nicht recht entscheiden. Man möchte der Band eigentlich direkt ein paar Plektren oder ganze Arme klauen, um mithilfe einer Radiokarbon-Analyse deren tatsächliches Alter herauszufinden, denn ihr drittes Album „Phosphene Dream“ klingt wie ein verscharrtes archäologisches Klanggut aus den 70er Jahren. Damals, als die Welt sich nur allzu gern in psychedelischen Untiefen wagte und kakophonische Anfänge eine Symbiose mit allerlei Drogen eingingen und die Menschen sich zu dräuender Gitarrenmusik glücklich wanden. Damals, als der Rock’n’Roll noch nicht von Sven Regener geschändet wurde und  sich Mutti noch ernsthaft Sorgen wegen dieser teuflischen Klänge machte, die die große Freiheit versprachen und genau das einhielten.

Heutzutage ist derlei kerniger Klang natürlich nie ganz frei von Klischees, allein die zeitliche Distanz lädt ironisierende Momente zum Stelldichein – wenn man es zulässt. Aber The Black Angels meinen es tatsächlich absolut ernst, und servieren diese völlig augenzwinkernfreie Mische aus rührseligen Gitarren im Freigang, Groove und knödeligen Stimmen. Sie beschwören einen Anachronismus, der sich genüsslich als Fremdkörper in der derzeitigen Poplandschaft breit macht. Hier wird erst gar nicht der Versuch unternommen, eine gewissen Zeitgemäßheit zu erhaschen, ihre Musik ist ein eskapistischer Entwurf, rein in der stumpfen Tradition verhaftet, in steter Verweigerung aktueller Anbindungen. Das kann man einerseits visions- oder mutlos nennen, ist allerdings auch im Umkehrschluss zu denken: Reaktionärer und weniger angesagt kann man nicht klingen, so dass das Festhalten an den eigenen Vorlieben durchaus Respekt abverlangt. Die Platte dankt es sowieso mit einem beseelten nostalgischem Moment, das diese Flucht in die Vergangenheit bisweilen kurzweilig und unterhaltsam gestaltet.

The Black Angels stimmen die Klampfen auf „angejahrt“, drapieren die Background-Sänger stilecht im Kellerraum nebenan und fahren die Orgel leicht neben die Spur. Psychedelische Drogen parat? Jep, kann losgehen!  Mit „Bad Vibrations“ geht es direkt systematisch der Vergangenheit an die Saiten. Schnodderig, kreisend und bestimmt stoned bis Minute 3:23 – dann wird versehentlich das Gaspedal durchgedrückt und fortan im Eiltempo der Song krachend an die Wand gefahren.  „Supersonic Overdrive“, singen sie im „Entrance Song“, bevor dann genau das eintritt, was man auch erwarten darf:  Verzerrte, benebelte Vocals, Feedback-Stränge, Leerstellen aus gedröhntem Matsch, weißer Krach, und Fuzzrock, der sich in steter Wiederholung der halben Rockgeschichte verschrieben hat. Das ist nicht schlimm, schließlich erwartet man von derlei Musik auch keine Neuerung. Hier verschanzt man sich in der Übersichtlichkeit des Bekannten und liefert eine stilechte Hommage an My Bloody Valentine, Velvet Underground und Konsorten, die vor allem dann richtig Spaß macht, wenn der Lautstärkeregler (man verzeihe diese abgedroschene Phrase) auf Anschlag steht und man Gefahr läuft wegen wiederholter Lärmbelästigung von den Nachbarn mit dem Böser-Blick-des-Monats-Fluch belegt zu werden. Wer diesbezüglich Hemmungen hat: Die lassen sich durchaus mit Bier und anderen bewusstseinswandelnden Drogen vertreiben. Nicht ausgeschlossen, dass man dann „Haunting at 1300 McKinley“ (erst kürzlich mit dem Preis für den „Simpelsten Riff des Monats“ ausgezeichnet) gleich beim ersten Anlauf kehlig mitschreit und torkelnd zum Titeltrack über den heimischen Laminatboden schluft und dabei dennoch eine gute Figur abgibt.

An manchen Stellen fehlt es der Platte dennoch ganz sicher an memorablen Umschwüngen, Spannungsbögen und Melodien. Immerhin verlieren sich The Black Angels nicht in ziellosen Jams, die bei vielen ihrer Bandkollegen zum Genickbrecher geraten. Wobei es durchaus ein paar mehr ihrer wildwüchsigen Drones der Vorgänger bedurft hätte, um „Phosphene Dream“ so richtig zur Fratze zu verzerren (wie es bei „River Of Blood“ hervorragend gelingt) und einen hypnotischen Sog zu entwickeln, der sowohl dicke Klangschichten als auch versponnenes Songwriting furios vereinen zu vermag. Auch die Produktion ist zwar herzhaft spröde und nahbar angeraut, lässt aber manchmal giftigen Biss und dunkle Untiefen vermissen. Erst recht bei solchen platten Farfisa-Poppern wie der aktuellen Single „Telephone“, die zur eigenen Karikatur gerät und die bis dahin aufgebaute Authentizität in Schräglage bringt. „Phosphene Dream“ ist eben voll von brüchiger Eigenheit wie das ihr zugrunde liegende Konzept. Diese Platte enthält gewissermaßen die empfohlene Tageshöchstdosis aus mehrfach gesättigten Zitaten. Das jedoch hätte selbst Herrn Morrison gefallen.

65

Label: Rykodisc

Referenzen: Jefferson Airplane, The Velvet Underground, My Bloody Valentine, Serena-Maneesh, The Brian Jonestown Massacre, Black Mountain, Dead Meadow

Links: Homepage, Myspace

VÖ: 17.09.2010

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