Superchunk schienen schon den Weg so vieler anderer toller Bands der 90er gegangen zu sein, mit Sänger Mac McCaughans Soloprojekt Portastatic und spätestens durch den zunehmenden Erfolg des von ihm und Bassistin Laura Ballance geführten Labels Merge, das mit Spoon, She & Him und Arcade Fire bereits drei Bands bis in die Top 10 der amerikanischen Albumcharts brachte, fand das quer durchs Land verteilte Quartett nur noch selten die Zeit zum gemeinsamen Musizieren. Doch oft genug, dass man nie richtig vom Ende der Band sprechen konnte und ein bisschen Hoffnung auf neues Material stets am Leben blieb. Die „Leaves In The Gutter“-EP, welche die über die Jahre vereinzelt entstandenen neuen Stücke bereits 2009 sammelte, bildete die Ouvertüre für das nun tatsächlich neunte Studioalbum nach ebenso vielen Jahren Pause.

An dieser Stelle könnte jetzt eine längere, mäßig schlecht recherchierte Abhandlug über die größeren und nuancierteren Entwicklungen der Banddiskographie folgen, es könnte aber auch einfach gesagt werden werden, dass „Majesty Shredding“ keine Fortsetzung einer debattierbaren Altersmilderung darstellt, sondern die cleveren Instrumentalarrangements später Werke in die feurigste Superchunk-Platte seit Mitte der 90er integriert. Bratsche akzentuiert die zweite Hälfte von „Fractures In Plaster“, im Hintergrund des Hochtempo-Faust-in-die-Luft-Reißers „My Gap Feels Wierd“ ist dezentestens Piano im Hintergrund zu hören und ein sirrendes Keyboard reiht sich ins süße Geriffe von „Winter Games“ ein, aber bei aller zusätzlichen Tiefe, die sie ihm verliehen, auf den primären Charakter des Albums haben sie keine Wirkung: „Majesty Shredding“ steht unter Hochstrom, dies ist eine vitale, großartige Hooks im Dutzend austeilende, richtig geile Rockplatte.

Auch wenn die Thermals auf ihren Frühwerken was von dieser unwiderstehlichen Immer-Vorwärts-Attitüde zwischen melodischem Indierock und punkigem Powerpop einfangen konnten, es gab nie eine Band die Superchunk hätte ersetzen können: McCaughans kehlige Stimme nölt so dringlich-jugendlich als wäre er halb so alt, springt wie in „Slow Drip“ gekonnt von eindrignlicher Kraft zu hoher Süße, verfällt selbst in ruhigeren Momenten nie in in gemütliches Säuseln und ragt unverkennbar aus den von Ballance grundierten, fein-fetzigen Gitarrenduetten mit Jim Wilbur heraus; dazu liefert der großartige Jon Wurster, dem die anpumpenden Schläge nur so von der Hand rollen, größeren, tighteren Antrieb denn je. Das erinnert mehr als nur ein wenig an Dinosaur Jr.s 2007 ähnlich spektakuläre Revitalisierung mit „Beyond“, fast wünscht man sich da schon, mehr Bands könnten mal ein Jahrzehnt Pause oder mehr einlegen.

Erstaunlich an „Majesty Shredding“ ist aber auch, dass es gar nicht mal so ein typisches Superchunk-Album ist, sondern mehr so anmutet, wie man die Band in bester Erinnerung hatte. Ihr Sound ist merklich modern, wohingegen Superchunks Gitarren selbst dann noch typisch nach den 90ern klangen, als sie dieses Jahrzehnt bereits verlassen hatten. Auch beinhalteten ihre Alben zweifellos immer mehrere Spitzen-Songs (eine Konsistenz, die sich auch auf viele grandiose B-Seiten und EP-Stücke wie „Her Royal Fisticuffs“ erstreckte), aber selten zeigte sich die Band dermaßen über ein ganzes Album so durchgängig mitreißend wie hier. 25 Minuten einseitiges Rumgeschrammel, das sich nach zwei Wochen an der Sonne abgenutzt hat, darf man woanders suchen: „Majesty Shredding“ ist ein substanzhaltiger Longplayer, der diese Kategorisierung – und seinen Titel – auch verdient, der von Beginn an enthusiastisch-furios zündet, dessen filigrane Konstruktion ihn aber auch auf lange Dauer zu einem erfüllenden Hörerlebnis werden lässt.

83

Label: One Four Seven

Referenzen: The Thermals, Portastatic, The Exploding Hearts, The Lemonheads, Guided By Voices

Links: Homepage, Myspace

VÖ: 01.10.2010

4 Kommentare zu “Rezension: Superchunk – Majesty Shredding”

  1. Pascal Weiß sagt:

    Jo, Uli, dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Toller Text, sehr stimmige Vergleiche auch. Gute Arbeit;)

    Und das Album ist ja eh fabelhaft.

  2. […] sich in der Regel das Reifen eines Menschen ganz gut mitverfolgen lässt; auch in der Musik, wo ein Mac McCaughan mit unbelegt spritzigem Kehlton in seinen Vierzigern die klare Ausnahme ist. Und insbesondere bei […]

  3. […] mit der druckvollen Power-Pop-Melodik. Er fühlt sich an der Seite seiner Mitstreiter Jon Wurster (Superchunk und neuerdings The Mountain Goats) und Jason Narducy sichtlich wohl, wobei besonders Wursters […]

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