Konzertbericht: Iron & Wine in Düsseldorf im zakk (15.09.)

Als ich gemeinsam mit meiner entzückenden Begleitung den Eingang des zakk abgehetzt erreiche, spielt Sam Beam (verlässlichen Quellen zufolge) gerade seinen fünften Song. Nur mit seiner Gitarre ausgerüstet steht er auf der Bühne, mit schickem, aber nicht überzogenem Anzug und in gerader Haltung. Von der Band gibt es keine Spur – ein klassisches Singer/Songwriter-Set also. Doch es sind Beam und seine raumfüllende, harmonische Stimme, die sofort alle Zweifel verdrängen. Und der auffallend ausgewogene Sound, der einem mal wieder vor Ohren führt, wie groß der Kontrast zu so manch anderer Konzertstätte ist.

Der Blick tastet sich durch das von dezenten Scheinwerfern auf der Bühne durchbrochene Dunkel. Oh, der Raum ist sogar bestuhlt. Gerade erklingen die ersten Töne von „Peace Benath The City“ – herrlich. Die noch folgenden gut fünfzig Minuten sollen für vieles entschädigen. Vor allem für den Hinweg. Denn der war die einzige Katastrophe. Geplant war eine knappe Stunde Fahrzeit – In der Praxis waren’s dann 2:20. Irgendwer hatte sich im Raum Duisburg auf die Schienen gelegt. Im Zug war es wie in einem schlechten Film: Links hinten einer der Jugendlichen, die einem knallhart aufzeigen, wie nachteilig die ganzen Flatrates doch sein können: „Na Schatz, soll ich heute wieder die Lederhose für Dich anziehen? Du weißt doch, die, die Du letztes Mal so scharf fandest.“ Mindestens zwei Wagons weiter noch zu hören. Vorne rechts der total betrunkene, Körperkontakt suchende Grieche, der dem nach einer halben Stunde völlig entnervt aussteigenden Irländer noch die letzten Worte mit auf den Weg gibt: „Sorry my friend, dass wir uns nicht again wieder sehen.“ Oh Mann.

Doch zurück zum Konzert: “You will never make me learn to lay beneath the mountain ‘cause I only lie down by the waterside at night” – wer damit gerechnet hat, dass der heutige Abend ganz im Rahmen des Anfang nächsten Jahres erscheinenden neuen Albums stehen würde, der irrt. Doch auf solcherlei Wünsche ist der grinsend in die Runde fragende Sam Beam bestens vorbereitet: „You want a new song?“ Nach einigen Zwischenrufen dann: „How much would you pay?“ Überhaupt ist er ziemlich gut aufgelegt: Als zwischendurch irgendwo ein nerviges Handy klingelt, ist der sympathische Bärtige der Situation gewachsen: „Hello?“ Die Lacher im Publikum sind ihm sicher. Auch seine Kollegen von Calexico bekommen ihr Fett weg: „You know, they are a bunch of jerks“. Gar nicht so leicht, dieser Spagat, auf der einen Seiten spaßig zu unterhalten und dennoch solch andächtige Stimmung zu verbreiten. In diesen Momenten mag einem nicht selten Elliott Smith in den Sinn kommen, der die tieftraurigen Blicke zwischendurch auch immer mit einer höchst eigenen Komik paarte.

In der letzten halben Stunde spielt er sich dann quer durch Iron & Wines Diskographie: Dem einnehmenden „Evening On The Ground (Lilith’s Song)“ also folgt mit „Mouth Of The River“ doch tatsächlich ein neues Stück, das schon seit einiger Zeit fester Bestandteil der Setliste ist und sich erfreulicherweise nahtlos integriert (auch wenn natürlich noch nicht abzusehen ist, wie der finale Song dann auf Platte klingt), bevor mit dem höchst intensiven „Jezebel“ von der „Woman King“-EP und „Resurrection Fern“, einem dieser unwiderstehlichen Stücke auf „The Shepard’s Dog“, zwei absolute Publikumsfavoriten das reguläre Set abrunden. Halt, eines fehlt doch noch: Klar, „The Trapeze Swinger“. Dieses wird zum Leidwesen aller Anwesenden allerdings nur angedeutet. Doch auch mit „Each Coming Night“ hat Beam ohne Frage eine reichlich umjubelte Zugabe in petto – das Ende eines Konzertabends, der sich maßgeblich von den großartigen Liveerlebnissen mit der gesamten Band unterscheidet, viele der Songs durch die Reduziertheit in einem ganz anderen Blickwinkel erscheinen lässt. Einen wegen seiner Intimität und Dringlichkeit aber auch nicht minder fasziniert in die Nacht geleitet und einmal mehr den Stellenwert dieses herausragenden Songwriters verdeutlicht.

Ein Kommentar zu “Konzertbericht: Iron & Wine in Düsseldorf im zakk (15.09.)”

  1. […] Big Band mit Jazz-Einschlag schiebt, sich andererseits aber durchaus seiner Wurzeln bewusst ist. Wie im September letzten Jahres, als er die Truppe für eine Weile zu Hause ließ und solo den Rotwein-Verkauf in ausgewählten […]

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