Sky LarkinKaleide

Nicht selten wird eine weniger umgangssprachliche, exotische Wortwahl mit Intellektuellentum verwechselt, werden ihre Benutzer als abgehoben abgetan oder ihren Aussagen, egal welchen Inhalts, eine überhöhte Bedeutung zugemessen. Dabei lassen sich – nicht alle, aber viele – komplizierte Konzepte genauso mit Alltagsvokabular erklären, wie ein vielsilbiges Wort völlig Mondänes beschreiben kann. Ohne Absicht benutzen wir alle schon mal Begriffe, die uns selbst völlig geläufig erscheinen, auch wenn dies anderen nicht so geht. Und warum auch nicht? Schließlich kann man mit exotischen Wörtern genau so schön spielerisch oder lyrisch umgehen wie mit anderen, was auch Katie Harkin zu Beginn des zweiten Albums ihrer Band Sky Larkin beweist.

So dürfte das Eröffnungsstück „Still Windmills“ den weltgeschichtlich ersten Reim von „Precipice“ (frisch das Wörterbuch Google Translate gezückt: „Gebirgsvorsprung“) auf „Piece of piss“ aufweisen, wie viele andere auf "Kaleide" widmet es sich mit Elan dem Überwinden übertriebener Vorsicht, dem Durchbrechen eigener Ängste. Im Titelstück von „Kaleide“ wird der aus dem Griechischen abgeleitete Begriff einer „schönen Form“ als freudig wiederholte amouröse Metapher (mit phonetischer Doppeldeutigkeit) von einer tatsächlich verkopften Hauptfigur verwendet, die sich auf Biegen und Brechen nicht geradlinig ausdrücken kann – ein Eindruck, den auch Sky Larkins Songs stellenweise hinterlassen. Sie stecken zwar voller gutgelaunter Popmelodien, erreichen aber selten den finalen Ton ohne ein halbes Dutzend Spurwechsel oder kantige Stops und Starts zu absolvieren.

Das war auf dem letztjährigen Debütalbum „The Golden Spike“ nicht anders, dessen Linie erfrischenden, cleveren und in seiner verqueren Dynamik so gerade nicht massentauglichen Indierocks „Kaleide“ nahtlos fortsetzt. Drummer Nestor Matthews schwingt seine Holzstöcke weiterhin, als wolle er sich damit nach Australien durchbuddeln und lässt die Stücke trotz häufiger Schlagmusterwechsel nie orientierungslos wirken. Überhaupt merkt man ein engeres Zusammenwachsen des Trios in Stücken wie dem bravourös Gänge schaltenden „Landlocked“ oder dem kraftvollen „Spooktacular“, das dank Harkins wuchtigem Sechssaiter und Doug Adams‘ rumorender Basslinie mehr als sonst Erinnerungen an Sleater-Kinney hochkommen lässt.

Die zweite Albumhälfte hält mit den geradlinigeren, sanft mit gedoppeltem Gesang und Keyboard erweiterten „Year Dot“, „ATM“ und dem instrumental reduzierten, den Fokus auf Gitarre und Gesang richtenden Finale „Smarts (Shh Version)“ noch mehr und sogar die eingängigsten Highlights bereit, der ganz große Wurf ist Sky Larkin mit ihrem Zweitling trotzdem noch nicht geglückt. Dafür will „Kaleide“ trotz Wachstumsfaktors nicht ebensogut als Album zusammenhängen wie in Einzelteilen, zum Glück sind diese, um es mal möglichst umständlich auszudrücken, alles andere als nicht nicht zu verachten.

73

Label: Cooperative Music

Referenzen: The Breeders, Sleater-Kinney, Oxford Collapse, Blood Red Shoes, Pretty Girls Make Graves

Links: Homepage, Myspace

Vö: 06.08.10

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