Zerfallserscheinungen sind oft das Ergebnis, wenn ein Bandmitglied einen Soloausflug unternimmt. Nicht nur die Band betreffend, sondern auch die Qualität der Songs, die zuvor vom Zusammenspiel oder kreativen Wettkampf belebt wurden. Bei Big Bois „Sir Lucious Left Foot: The Son Of Chico Dusty“ liegt der Fall aber im doppelten Sinne anders. Zum einen ist die Platte nicht wirklich sein Solodebüt, bestand doch schon das Doppelalbum seiner Band Outkast „Speakerboxx/ The Love Below“ aus einer Scheibe mit den Songs seines Bandkollegen André 3000 und einer mit denen Big Bois. Zum anderen wischt sein neuer Output jeden Gedanken an Zerfallserscheinungen mit einem lässigen Schnipser beiseite.

Dabei wurde André 3000 innerhalb der Band bislang die Rolle des Freigeistes zugeschrieben, der in Genres wie Pop, Folk oder Soul wilderte, während Big Boi die reine Lehre des Southern Raps vertrat. Kaum zu glauben, wenn man sein neues Album hört, bei dem die Gästeliste – die von der eigens von Big Boi entdeckten Janelle Monáe über Jamie Foxx und George Clinton bis zu Gucci Mane reicht – symptomatisch für ein buntes Stilspektrum steht. Am weitesten Richtung Mainstream weist dabei „Follow us“ mit dem von Vonnegut eingesungenen sahnigen Refrain, doch danach nimmt das Album erst richtig an Fahrt auf. „Shutterbugg“ mit seinem Sample von Soul II Souls „Back to life“ und das orientalisch angehauchte und mit einem Gastrap von T.I. ausgestattete “Tangerine” schubsen genauso auf den Dancefloor wie das von André 3000 mit raffinierter Klingel-Percussion produzierte „You ain’t no DJ“. Im Anschluss wird das Tempo gedrosselt, Lil John zeichnet sich mit „Hustle blood“ für das verantwortlich, was er am besten kann: satten Mainstream-Soul, der aber noch clever genug ist, die seichten Klippen zu umgehen. Nicht mal in die Nähe davon kommen „Be still“ mit Monáe und das mit einer flirrenden Synthieline und Raps von Gucci Mane bezirzende „Shine blockas“.

Dass es sich bei „Sir Lucious Left Foot: The Son Of Chico Dusty“ um ein Konzeptalbum handelt, auf dem der Rapper aus Atlanta mit verschiedenen Identitäten spielt, ist nur in dem behäbigen Albumtitel zu erkennen. Die Musik darauf ist nach einer kurzen Aufwärmphase zu Beginn ein leichtfüßiger Selbstläufer. Umso unbegreiflicher, dass Big Boi knapp zwei Jahre mit seinem ehemaligen Label um die Albumveröffentlichung kämpfte, weil der Plattenfirma –  unfassbar die Zweite – die Hits darauf fehlten. Die erscheinen nun bei Def Jam und tanzen auf dem Gerede von Zerfallserscheinungen.

75

Label: Def Jam (Universal)

Referenzen: Outkast, Jay-Z, The Roots, Common, Janelle Monáe, George Clinton, B.o.B.

Links: Homepage, MySpace

: 02.07.2010

2 Kommentare zu “Rezension: Big Boi – Sir Lucious Left Foot: The Son Of Chico Dusty”

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