Folk-Spezial: Team-Spirit - Aktuelle Kollaborationen

Rechtzeitig zur Weltmeisterschaft der populärsten Teamsportart weltweit, versuchen es drei verdiente (Folk)-Musiker jeweils auch mit neuer oder erweiterter Mannschaft. „&“ heißt das Zauberwort bei spannenden, ungewöhnlichen aber vor allem sehr gelungenen Kollaborationen.

Beim Lesen von Namen wie Alasdair Roberts oder Howe Gelb bekommt der geneigte Musikhörer mit Sicherheit feuchte Augen, David Karsten Daniels mag nicht ganz so populär sein, verdient hätte er es allerdings allemal. Nun kommt es, dass die drei Herren unabhängig voneinander Alben aufgenommen haben, bei denen sie sich Unterstützung geholt haben, die den üblichen Rahmen klassischer Begleitmusiker deutlich sprengen. Heißt es bei Alasdair Roberts, dem spröden Schotten auf seinem neuen Werk „Too Much In This Condition“ nur „& Friends“, sucht sich Howe Gelb für „Alegrías“ „A Band Of Gypsies“ und huldigt dem Flamenco und Mr. Daniels ist gar so frei, sich bei „I Mean To Live Here Still“ eine neunköpfige Blechbläser-Rasselbande namens „Fighting The Big Bull“ ans Bein zu binden.

Genauso schlicht wie es das einfache „& Friends“ vermuten lässt, geht es dann auch bei Alasdair Roberts los, und das im positivsten Sinne. Die Titel, die er mit Musikern aus dem erweiterten britisch-schottischen Folk-Umfeld spielt, haben allesamt schon Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte auf dem Buckel und tragen auch den Staub verschiedenster Interpretationen der glorreichen 60er und 70er-Jahre unter den Schuhen, als sich Musiker wie die Fairport Convention, The Incredible String Band oder Steeleye Span, mit den mythisch, aber fast immer realitätsbezogenen Geschichten beschäftigten. Vielleicht nicht ganz so ausufernd wie die genannten Bandkollektive, mindestens aber so gut wie die im letzten Jahr vorgestellte Songkollektion „Spoils“ nimmt er seine „Friends“ an die Hand und singt über finstere, lang zurückliegende Mordtaten (Little Sir Hugh), Sea Shanties (The Golden Vanity) oder wilde schottische Clangeschichte (The Burning Of Auchindoun). Mit „What Put The Blood On Your Right Shoulder, Son“ streitet er zudem mit Sam Amidon (bei ihm heißt es allerdings „How Come That Blood“) um die beste zeitgenössische Version dieses Revenge-Song-Klassikers.

Ganz anders Howe Gelb. Kennt man den heiseren Folk- und Country-Crooner bisher vor allem durch seine Hauptband Giant Sand, ist er doch immer mal wieder für ein gutes, meist sehr zurückgenommenes, traditionsbehaftetes Americana-Album gut, wie zuletzt „’Sno Angel Like You“. Wenn er sich nun mit einer Gruppe Zigeuner auf eine feurige Flamencorunde einlässt, klingt das zuweilen schon ganz anders, meistens bleibt er dennoch seinem ureigenen Kosmos von urtümlicher Folklore und amerikanischer Tradition treu. Es ist schön, ihm durch die spanisch-mexikanisch angehauchten Klänge zuhören zu können, vor allem wenn wie bei „Blood Orange“ sonnenverwöhnte Melodiebögen auftauchen, bei der tänzerischen Ballade „The Ballad Of Lole Y Manuel“ kokett mit Tango und Flamenco geflirtet und mit „Broken Bird & The Ghost River“ ein ganz und gar knorrig erdverbundener Gospel-Blues mit Engelschören angestimmt wird. Ob Mr. Gelb sich dazu nun eine ganze Horde Gypsy-Musiker ins Haus holen musste, sei dahingestellt, Spaß macht’s allemal.

Noch bunter, noch farbenfroher und vor allem noch leidenschaftlicher wird bei David Karsten Daniels & Fighting The Big Bull musiziert. Wenn man den schmächtigen Musiker von seinen Solo-Alben kennt, erinnert er dort vor allem an Genre-Kollegen vom Schlage eines Conor Oberst oder Chris Bathgate. In Zusammenarbeit mit den Jazzblechbläsern aus Richmond, Virginia kennt er allerdings keine innigliche Zurückhaltung. Natürlich tauchen auch liebevolle, klassische Folktöne auf (Though All The Fates), durch die facettenreiche Struktur und das kongeniale Zusammenspiel von Instrumentalisten und Sänger drängen sich aber vermehrt angenehm tänzelnde Dissonanzen (Smoke), clusterähnliche Tonhäufungen (Each Summer Sound) und rezitativ-kontemplative Sounds (Epitaph On The World) in den Vordergrund. Deutlich wird das auch bei den naturalistischen Texten, die sich an Henry David Thoureau anlehnen, – ja, der aus „Der Club der toten Dichter“ – und dem Album trotz allem Ungestüm eine herrlich klassische Note verleihen.

Ob nun schottischer Traditionalismus mit Pfiff, Tex-Mex-Country südeuropäischer Prägung oder Folk’n’Jazz, es ist immer wieder eine Freude arrivierten Musikern bei der Suche nach neuen Herausforderungen zuzuhören. Team-„Spirit“ scheint als Zauberwort auch für den Folk und Country 2010 zu gelten und bei einem so gelungenen Zusammenspiel von teilweise doch arg artfremder Musik zu wahrer (Welt-)Meisterschaft zu reifen.

2 Kommentare zu “Folk-Spezial: Team-Spirit – Aktuelle Kollaborationen”

  1. Pascal Weiß sagt:

    Sehr interessanter, toll geschriebener Text, Carl. Und ganz nebenbei wird Dir auch noch besondere Ehre zuteil, denn das war Artikel Nummer 900;)

  2. Carl sagt:

    ui, vielen Dank, war aber auch ein leichtes bei den Alben…:-)

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