UffieSex Dreams & Denim Jeans
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Referenzen:
Peaches, Amanda Blank, Ke$ha, SebastiAn, Mr. Oizo, Simian Mobile Disco, Justice
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„I’m the least working girl in the showbusiness“ – vier Jahre ließ Anna-Catherine Hartley alias Uffie zwischen ihrer Debüt-Single “Pop the Glock” und ihrem nun vorliegenden Debüt-Album “Sex Dreams & Denim Jeans” verstreichen, die nur notdürftig mit vereinzelten EPs und Kollaborationen mit u.a. Justice und Crystal Castles ausgefüllt wurden. Die Verspätung reiht sich nahtlos in den Lebenslauf der Lolita der French-House-Szene ein. Beheimatet überall dort wo gerade Freunde zur Hand sind – Paris, Miami, Hong Kong usw. – ist sie das Role Model all jener egozentrischen Party-Bitches, die das Entleeren des Mageninhalts über der schmierigen Club-Toilette zum ultimativen Akt der Coolness stilisieren. Uffies Nachlässigkeit gab Ke$ha die Chance, den musikgewordenen Hedonismus schamlos zu kopieren und in weichgespülter Form an die Spitze der Charts zu schleusen. Im direkten Vergleich geht Uffie nun als klare Punktsiegerin hervor.
Dabei ist sie von vorne bis hinten talentfrei – zumindest musikalisch. Ihre Reime sind tollpatschig, ihr Flow nicht existent, kommt ein bisschen rhythmischem Sprechen näher als tatsächlichem Rap und wenn sie singt, könnte sie die Töne selbst dann nicht treffen, wenn es um ihr Leben ginge (ebenso schräg wie charmant im auf einem Velvet-Underground-Sample daher rumpelnden Girlpop-Titeltrack demonstriert). Anders als ihre Kollegin Ke$ha gelingt es Uffie jedoch ihre Musik nicht nur mit ihrem unerschütterlichen Selbstbewusstsein, sondern auch einer überdeutlichen Portion Ironie zu unterwandern – dass die 22-Jährige sich traut, Zeilen wie „There’s two kinds of MCs out there. There’s the ones who rap, and the ones who don’t care. And frankly, I don’t give a fuck. You might be dope on the mic, but your music sucks” überhaupt in den Mund zu nehmen, ist das Erfrischende an diesem Album.
Ihre dem Zeitgeist entsprechende und glaubwürdig präsentierte „Bock auf Musik machen und vor allem Selbstdarstellung“-Attitüde zwischen dem Schweiß auf der Tanzfläche, dem Erbrochenem am Bordsteinrand und dem Kater am Morgen danach sorgt für sich zwar noch nicht für irgendeine Form von Hörgenuss, füllt „Sex Dreams & Denim Jeans“ aber mit Leben und lässt Uffie tatsächlich zeitweilig wie die coolste Sau auf Erden dastehen – das macht schlicht Laune, vorausgesetzt man steht der kalkulierten „I don’t give a fuck“-Mentalität, die das augenzwinkernde Zelebrieren der eigenen Unfähigkeit zum Gipfel der Coolness erklärt, nicht von vornherein feindselig gegenüber. Sollte das der Fall sein, könnten diese 48 Minuten, die sich mit ironischer Distanz um nichts und niemanden außer sich selbst drehen, tatsächlich zur peinlichen Nervenzerreißprobe werden.
Da Attitüde allein noch kein Album macht und Uffie nicht nur über ein gewaltiges Ego, sondern auch über ein prall gefülltes Adressbuch verfügt, hat sie eine erlesene Schar von Produzenten um sich versammelt, um die eigentliche Arbeit zu erledigen (u.a. Mirwais, Mr. Oizo, Feadz, SebastiAn und Pharrell Williams). Entstanden sind Backing-Tracks auf der Höhe der Zeit, für die Ke$ha über Leichen gehen würde, wenn sie Geschmack hätte. Knochentrockene Hip Hop-, Acid House- und Electro-Beats, pluckernde Synthies und pumpende Bässe dominieren das Klangbild, an obskuren Details wird nicht gespart. Dass nicht alles solche Freude bereitet wie der verschlafene Beat von „Pop The Glock“ – der auch vier Jahre nach Erscheinen noch keine Abnutzungserscheinungen zu verzeichnen hat – oder der mächtige Rumms von „MCs Can Kiss“ ist so erwart- wie verzeihbar. Dass sich „Sex Dreams & Denim Jeans“ hingegen weder klare Ausrutscher noch faule Kompromisse für den Mainstream erlaubt, ist erfreulich und wer die Chuzpe hat, den alten Siouxsie-And-The-Banshees-Gassenhauer „Hong Kong Garden“ derart trashig zu zerlegen, hat ohnehin schon fast gewonnen.
„Sex Dreams & Denim Jeans“ kommt einige Jahre zu spät, um die Musikwelt nachhaltig umzukrempeln, und das ist nur gerecht – immerhin diese Nachlässigkeit kann Uffie nicht zum Positiven wenden. 2007 wäre dieses Album tatsächlich einer kleinen Offenbarung gleichgekommen. Dass es auch drei Jahre später noch für erstaunte Augenbrauenlupfer sorgt, ist Glück. Und ein kleines bisschen Können.
Label: Ed Banger | Elektra
Referenzen: Peaches, Amanda Blank, Ke$ha, SebastiAn, Mr. Oizo, Simian Mobile Disco, Justice