Against Me!White Crosses
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Referenzen:
The Gaslight Anthem, The Lawrence Arms, Alkaline Trio, Good Charlotte, Bruce Springsteen, The Weakerthans
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Autor: |
Felix Lammert-Siepmann |
Der Wunsch, sich musikalisch zu verändern, ist gerade im Punkrock oftmals ein Tanz auf der Rasierklinge. Auf der einen Seite steht der eigene Ehrgeiz, es mit jedem Album besser machen zu wollen, auf der anderen der Gedanke, die traditionsgefestigten Anhänger besser nicht zu sehr zu irritieren. Kommt dann auch noch Geld durch einen lukrativen Plattenvertrag ins Spiel, wird alles abermals komplizierter. Die Skala am Ende dieses Abwägungsprozesses erstreckt sich von keiner Veränderung (NOFX) über die plötzliche Hinwendung zu radiogemäßem Pop (The Gaslight Anthem) bis hin zum Aufbruch zu experimentellen Ufern (Fucked Up).
Against Me! haben keines dieser Extreme als ihr Leitbild auserkoren: Auch auf ihrem inzwischen fünften Album setzen sie ihre sanfte Entwicklung von einer schroffen Politpunk-Truppe, die sie rückblickend natürlich eigentlich nie sein wollten, zu einer gefestigten Band mit höchst eingängigen und wohltemperierten Songs für fast Jedermann. Seit ihrem heiß diskutierten Wechsel zum Major wohlgemerkt mit doppelter Geschwindigkeit. Schon der Titeltrack und „I Was A Teenage Anarchist“ geben diesen Ansatz perfekt vor: Mehr Stadion war selten bei Against Me!, doch Tom Gabel ist nach wie vor mit dem Herzen voll und ganz bei der Sache, selbst wenn er sich wie in „I Was A Teenage Anarchist“ dazu hinreißen lässt, auf etwas einfältige Pennälerlyrik zurückzugreifen – ein Phänomen, das sich leider durch das gesamt Album hindurchzieht und in dieser Ballung zuvor noch nie zu beobachten gewesen ist. Dieser Aspekt wird jedoch durch die aufwändige, aber immer maßvolle Produktion in den Hintergrund gedrängt: „White Crosses“ entpuppt sich als klassisches Sommeralbum mit einer Reihe an Hits („White Crosses“, „Spanish Moss“, „Suffocation“) und obligatorischem Herzschmerz („Because Of The Shame“, „We Are Breaking Up“). Against Me! verleugnen trotz aller Eingängigkeit nur selten ihre Wurzeln, zitieren sich oft selbst und meistern den Spagat zwischen Melodien und fragmentierter Punkattitüde recht passabel. Zwei schwer miteinander zu vereinbarende Ansätze arbeiten nicht gegeneinander, sondern bauen aufeinander auf. All dies kumuliert im stärksten Track des Albums, „Bamboo Bones“, der als als einziger noch den skizzenhaften Charakter früherer Tage inne hat, durch den gleichsam übergestülpten Melodiebogen aber so glänzend geschliffen wird, dass er wie die Essenz des Schaffens von Against Me! erscheint. Auch auf „Bamboo Bones“ macht sich der Personalwechsel an den Drums bemerkbar: Dass eine Band sich nach über zehn Jahren technisch nur noch bedingt weiterentwickeln kann, liegt auf der Hand. Umso bemerkenswerter ist es daher, dass durch das Mitwirken George Rebelos (ehemals Hot Water Music) in diesem Bereich ein echter Quantensprung gelungen ist. Auch wenn „White Crosses“ viel vermissen lässt, was die Band einst großgemacht hat, kann es innerhalb der Diskographie durch Rebelos herausragendes Talent ein echtes Alleinstellungsmerkmal aufweisen.
Mit „White Crosses“ nehmen Against Me! eine weitere Stufe auf dem Weg zum gewöhnlichen Mainstream-Rock . Und auch dieses Mal beweisen sie Geschick dabei. Die imaginäre Grenze zur Vorhersehbarkeit ist noch immer nicht ganz überschritten worden. Doch Vorsicht, der nächste Schritt in diese Richtung könnte schon genau dieser eine zu viel sein.
Label: Sire
Referenzen: The Gaslight Anthem, The Lawrence Arms, Alkaline Trio, Good Charlotte, Bruce Springsteen, The Weakerthans
Links: Homepage, Myspace, Label
VÖ: 04.06.2010