Ton und Nichtton: Das Label Raster-Noton

Raster-Noton aus Chemnitz ist schon immer ein Kopfprojekt gewesen. Ein Label, was mit audiophysischen Mitteln agiert und im Experiment die Grenzen von digitaler Musik austestet. Hier stehen Ton und Nichtton (wie es schon so schön im Label-Slogan heißt) eng beieinander.
Raster-Noton ist von der Konzeption her ungemein spannend, schließlich dürfte die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft diese klanglichen Experimente kaum der „Musik“ zuordnen, sondern vielmehr unter Installationsrauschen, als dienende Untermalung des Künstlerischen. Wenn überhaupt. Auf den Alben des Labels werden Frequenzen bis zum Enervierungsoverkill ausgetestet und Sounds aus dem Inneren des Laptops geboren, die entsprechend immer etwas Entmenschlichtes und Technologisches haben – auch wenn die Macher oft beteuern, dass gerade die Komponenten Mensch und Makel den Reiz ihrer Projekte ausmachen.
Alle Projekte erhalten sich den Charme des Digitalen. Die Kühle der Einsen und Nullen. Während viele Künstler versuchen, die digitale Herkunft ihrer Musik zu verschleiern, legen die Künstler auf Raster-Notone mit Nachdruck und Konsequenz genau dies offen. Auf den Tanzflur wird sich natürlich auch zeitweise gewagt, allerdings häufig in einem Verständnis, dass die Architektur beim Tanzen ebenso eine große Rolle spielt wie die Bewegung selbst.
Entsprechend dürften die Macher auch konform nicken, wenn man ihr Label auch nahe an John Cage heranrückt, der auch die Grenzen der Musik austestete und das Konzept dem Klang überstülpte, bis irgendwann nur noch Konzept da war. Und kein Klang mehr. Es geht also auch immer um die Reflexion des eigenen Tuns: Die Abstraktion, die Minimierung oder Maximierung von (Audio-)Informationen, das Hörbarmachen von Datenströmen, Digitalisierung, knackender Relais und fortgeschrittener Computertechnologie.
Hier wird akustisches Mapping betrieben, ein akribisches Abarbeiten am Ton selbst. Auf einmal ist fast alles gleichzeitig wichtig: Die Idee, das Material, der Prozess, der Raum, der Rezipient und der Künstler. In unterschiedlicher Schwerpunktsetzung sind das die wiederkehrenden Merkmale von Raster-Noton. Dass das nicht gerade als Massenprodukt taugt und dass derart künstlerische Aufladung und Dichte teilweise überfordern oder sich eher im ausgewiesenen musealen Raum zufriedenstellend präsentieren lassen, ist gar nicht die Frage. Natürlich sind die Konzepte im musikalischen Rahmen scheinbar radikal. Egal, ob es wie bei Ryoji Ikeda um die physische Qualität von Frequenzen („Test Pattern“) im hör- und unhörbaren Bereich geht oder wie bei Alva Noto um Dekonstruktions- und Umformungsprozesse geht: Immer geht den Produkten von Raster-Noton ein Denkprozess voraus, Intuition und Bauchgefühl haben hier kaum Platz.
Analog zu den digitalen Experimenten hat es das Label auch geschafft, sich visuell eine prägende Ästhetik zuzulegen, die inzwischen aber parallel zu der Öffnung auch im musikalischen Sinne (die ersten Veröffentlichungen waren geprägt von Strenge und instrumentaler Grundhaltung) etwas an Eigenheit einbüßt. Dennoch sind diese Cover hervorragende Statthalter ihres Inhaltes: Reduziert auf Linien und die reinen Grundfarben rot, gelb und blau atmen die Produkte auch von Außen eine Übersichtlichkeit und Eigenart, die stark an die Werke von Piet Mondrian erinnert. Es geht um serielles Arbeiten, um Akzentsetzung, um Reinheit und konzeptionelle Klarheit. Dass eine derart avantgardistische Haltung mehr sein will als bloße Verpackung, ist offensichtlich. Es ist die transportierte Idee des Universellen, die Schönheit in der Formsprache, die auch die Raster-Noton-Veröffentlichungen ein wenig selbst zur Ikone in der Musiklandschaft geschliffen haben.
Link: Raster-Noton