GayngsRelayted

Da tobt seit Jahren die 80er-Revivalwelle in schamlosen Ausmaßen, aber die schäbige Kaufhaus-Variante hat es dann doch kaum mehr aufs musikalische Tablett getrieben. Keine Mellotron-Popper, die Chris de Burgh vorwiegend zur Weihnachtszeit unters Volk brachte, keine arabesk-souligen Harmlosigkeiten in der Machart von Phil Collins oder zärtelnde Saxophon-Soli. Dabei haben diese Absonderlichkeiten doch auch ihre Reize! In Maßen zitiert und ins Heute überführt, wird daraus sogar ein ganz besonderes musikalisches Indiepop-Curry. Sanftmild, versteht sich…

Am Anfang war es der Wunsch zu klingen wie 10CCs „I’m Not In Love“, diesem ewigen Kuschelrockklassiker, der übrigens doch früher veröffentlicht wurde als man es ihm anhört: 1975. Die Gayngs erinnern sich der Muzak-Seite der 80er-Jahre-Medaille. Mit fließenden Synthieflächen und soft-erotischen Stimmen, die sich wie ein Schwall Nivea von Innen über die Songs ergießen. Als Kollaborationsprojekt unter Unbekannten gestartet, standen hinterher auch Musiker von Bon Iver, Megafaun, The Rosebuds oder P.O.S. (!) auf der Studiomatte und hatten ihren Anteil am ganz speziellen Klang von „Relayted“. Ätherisch und spirituell geht es da zu, aber auch episch, intim und gar nicht so kitschig, wie die Summe der einzelnen schrecklichen Details wohl vermuten lassen würde. Vielmehr sind die Keyboards, Saxophone, Hard Rock-Gitarren und andere Schrecklichkeiten derart dezent in einen lupenreinen Indiepop-Entwurf gebettet, dass man nur ehrfurchtsvoll den imaginären Hut ziehen kann. Kaum ein Song bleibt trotz absoluter Unaufdringlichkeit in Gefilden der Beliebigkeit stecken. „No Sweat“ entdeckt den Soul, „The Beatdown“ das Hippietum und irgendwo dazwischen sind ganz gewiss noch Reggae-Bassläufe, Porno-Funk und Space-Synthies versteckt.

Das große Highlight einer absolut stimmigen und in sich geschlossenen Platte bildet aber das siebenminütig-verschlungene „Faded High“, was mit sanfter Elektronik und zurückgelehntem Gesang sich zu einem Ohrwurm der leckeren Sorte auswächst. Subtile Öffnungen und eine im Grundton erstaunlich große Variabilität befreien „Relayted“ zudem von jeglicher Kurzlebigkeit. Ein schnelles Vorbeihorchen wird dem Werk nicht gerecht – wer jedoch etwas Muße und Zeit investiert, wird mit einem wunderbaren, zu fast jeglicher Gelegenheit passenden Aufnahme belohnt, deren Geheimtipp-Status etwas unverständlich ist.

83

Label: Jagjaguwar

Referenzen: Bon Iver, The XX, Fleet Foxes, 10CC, Bon Iver, Supertramp, Andrew Bird, Phil Collins

Links: MySpace | Official | Label (+3 Gratis-MP3s!)

: 04.06.2010

2 Kommentare zu “Rezension: Gayngs – Relayted”

  1. […] dabei sind dieses Mal die ganz wunderbaren Gayngs (das Album sei euch noch einmal ausdrücklich empfohlen), eine Südafrika-Hymne der BLK JKS, ein ziemlich dramatischer Song der tollen Menomena, die […]

  2. […] National – High Violet Triclops! – Helpers On The Other Side Gayngs – Relayted Flying Lotus – Cosmogramma MGMT – […]

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