„What are you doing with your life?“. Mhm. Eine gute Frage, die sich so genau nicht beantworten lässt. Was macht man hier eigentlich? Irgendetwas Neues? Schwerlich, und doch möchte jedeR gern von sich behaupten, er oder sie mache „sein eigenes Ding“. Obwohl es mit Sicherheit an groben Unfug grenzt, von sich selbst in dieser Art zu sprechen, ist das Bestreben, sich von irgendetwas absetzen zu wollen, löblich. Und merkwürdigerweise wurde dieser Wunsch nach Einzigartigkeit einst durch nichts so stark befeuert wie Kollektive, nämlich Popbands. The Pharmacy versetzen uns zumindest musikalisch über den Umweg Punk zurück in eine Zeit, als die ersten großen Musikgruppen Solisten ablösten.

Bands kann man spätestens seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts als geschlossenes System sehen, das zwar unterschiedliche Teile mit verschiedenen Funktionen besitzt, aber stets im Sinne der Platitüde „mehr als die Summe der einzelnen Teile“ ein großes Ganzes bildet. Den ersten vermeintlich zur Massenherstellung tauglichen Prototypen hierfür lieferten in den 60er Jahren The Beatles, ein wenig voraus waren ihnen jedoch The Shadows, denen 1960 mit der Single „Apache“ ihr erster großer Hit vergönnt war, der vor allem auf dem Sound der Band basierte und auch ohne den Sänger Cliff Richards, als dessen Backingband sie berühmt wurden, auskam.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: The Pharmacy haben mit beiden Gruppen nichts weiter gemein, verweisen aber mit „Weekend“ eindeutig auf die Ära der ersten Popgruppen, die nicht einfach nur Rock’nRoll spielten oder dem Showbereich entstammten, wie die britischen Bands des Merseybeat. Dazu gehören nicht zuletzt die bereits erwähnten Beatles, verhalf deren erste Erfolgssingle „Please Please Me“ doch dem Genre zu großer Aufmerksamkeit. Daraufhin verlegte sich das Zentrum des musikalischen Geschehens in Großbritannien 1963 kurzzeitig von London nach Liverpool, bevor es in Anbetracht einer recht rasanten Entwicklung der Popmusik in der zweite Hälfte der 60er schnell an Bedeutung verlor. Vorher aber begründete es noch die so genannte „British Invasion“, im Zuge derer der klassische amerikanische Rock’n’Roll zu Grabe getragen wurde.

Dabei haben gerade er und der Beat eine nicht unwesentliche Gemeinsamkeit: Beide zeichnen sich durch eine bemerkenswerte Innovationsfeindlichkeit- und resistenz aus. Allerdings ist dies nicht einzig dem mangelndem Wunsch zur Entwicklung der damaligen MusikerInnen anzulasten, die Produktionsmittel waren Anfang bis Mitte der 60er einfach so schlicht, dass das Einbeziehen neuer Geräte noch schnell in der Erschließung neuer Ausdrucksmittel und somit Stile münden konnte, wodurch bereits Existentes gewissermaßen mit einem Schlag konserviert wurde. So kam zum Beispiel erst 1964 eine verbreitete Nutzung von Tonbandgeräten auf, die es ermöglichte, vier Instrumente auf vier unterschiedliche Spuren aufzunehmen, diese dann wiederum auf eine Spur zusammenzufassen und somit Platz für weitere Aufnahmen zu erhalten, 1965 war der Beat passé.

Wie charmant die Qualität unter der erwähnten, Vierspur-basierenden Aufnahmetechnik aus heutiger Sicht leiden kann, zeigt das ebenso auf einem Vierspurgerät aufgenommene „Weekend“, man achte nur einmal auf das Schlagzeug und seinen Sound bei „Coldest Morning Light“, dessen Bassdrum obendrein nur „Bumm… Bumm Bumm“ spielt. Der Gedanke, die Musik sei deswegen primitiv, führt zu einem herrlichen Ressentiment, das wiederum die Brücke zu den 60ern schlägt, wurde Beatmusik damals doch oftmals als etwas Trivial-Anstößiges beargwöhnt, das keinesfalls „Kultur“ sein könne.

Beinahe 50 Jahre später nimmt sich eine Band aus Washington des sicherlich nicht omnipräsenten Genres an, zumindest in musikalischer Hinsicht. In Sachen Kleidung nämlich bedienen sie sich nicht des braven Saubermann-Images ihrer Ahnen, sondern ziehen sich arty punkig bis albern hippieesque an. Doch ist die Musik so langweilig, dass man nur über die Pophistorie und Mode reden könnte? Schwer zu sagen, „Wait In Vayne“ ist ein hübsch melodischer, nun ja, eben Beatstampfer und auch „Children On TV“ ist mit seinen Schepperbecken ein wirklich, wirklich sympathischer Song. Vom Klavier und der hier wie generell leicht übersteuerten Stimme einmal abgesehen hat man es mit genügsamem Pop in Reinform zu tun. Wer will, kann „Clockwork“ und „Waydwyl“ gerne als „Beatpunk“ bezeichnen, und vielleicht gibt es da draußen ja irgendwen, der genau das gebrauchen könnte; der bis auf wenige Ausnahmen siechende Punk zum Beispiel.

„Weekend“ ist eine Platte zum Liebhaben, ein Album, das man gerne vor überkritischen FreundInnen verteidigt, dessen brave Kauzigkeit jedem Hipster Unaufgeregtheit nahe legt, etwas für Menschen, die die frühen Beatles-Platten mögen, ohne zu verbohrt oder puristisch zu sein. Ein Faible für zeitgenössischen Lo-Fi Pop sollte man allerdings schon besitzen.

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Label: Seayou Records

Referenzen: The Dave Clark Five, Peter & Gordon, The Searchers, The Kinks, The Creation, A B & The Sea, Girls, The Zombies, Ramones

Links: Homepage / Myspace

VÖ: 14. 05. 2010

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