Oh No OnoEggs

Auch wenn „Eggs“ den oder die Hörende an vielen Stellen sprachlos zurücklässt, ein nicht unwichtiger Bestandteil der Musik des Quintetts Oh No Ono sei von Anfang an als Ursache ausgeschlossen: der Gesang. Ja, diese Stimmen klingen merkwürdig, dabei wollen wir’s aber dann auch belassen. Viel wichtiger als ihre Absonderlichkeit ist nämlich die Produktion, die einer Konzentration auf eine vermeintliche Exaltiertheit vorbeugt, indem sie ein beeindruckend rundes Klangbild schafft.

Zugegeben, live tragen die Dänen ja recht merkwürdige Klamotten und scheinen dadurch eine Einordnung als Weirdos geradezu provozieren zu wollen. Jedoch darf man die Gruppe keinesfalls nach ihrer Bühnenkleidung beurteilen, das sollte man sich für Menschen aufheben, die glauben, Coolness würde Bands machen, nicht die Bands die Coolness. Oh No Ono haben ihr zweites Album selbst produziert und scheinen sich dabei offensichtlich um andere Dinge als Outfits Gedanken gemacht zu haben, sie sind hoffnungslos melodieverliebte ProgPopper, die das Glück hatten, an ihren Ambitionen nicht zu scheitern.

Am besten nähert man sich „Eggs“ über das Mittel der Referenzsongs-, nicht Bands. Da gäbe es zum einen den überspitzt mondänen Pomp eines „Live and Let Die“ (Paul McCartneys Bond-Theme von 1973), den Technicolour-Psychedelic Pop der britischen Band Traffic (siehe deren Debütsingle „Paper Sun" von 1967) und nicht zuletzt den verspielten Vaudeville Grusel, den Radiohead in „We Suck Young Blood" (von Hail To The Thief, 2003) auf die Spitze getrieben haben. Apropos Oxforder und spooky Atmosphären: kennt Ihr Chieftan Mews? Falls nicht, solltet Ihr Euch das hier (bitte bis zum Ende) ansehen, und ja, ich grusel mich dabei. Falls es dieses Wesen nicht schon geben würde, es könnte ein Destillat aus einzelnen Zügen der Musik der Aalborger sein, zu der die Seltsamkeit eines aus dem Ruder gelaufenen Schunklers „Icicles“ ebenso wie auch das Stück „Swim“ gehören dürften. „The Wave Ballet“ wiederum ist durch einen einzigen Break mitsamt unglaublich luftigem Basssolo, einem Refrain mit in Mondlicht gebadeten Streichern und dem grandiosen Finale dermaßen schön und perfekt, dass es mit der Creepyness nicht so weit her sein kann. Auch ist „Eggs“ einfach zu intelligent und vielschichtig geraten, es ist ein riesengroßer Spaß für alle Menschen, deren Ehrgeiz nicht darin besteht, einfach nur aktuelle oder „passende“ Musik zu besitzen und zu wissen, wozu es sich gerade feiern oder trauern lässt. Leider vermag ausgerechnet der einzige wirkliche Uptempo-Song des Albums mit einer Art Hitqualität („Helplessly Young“) trotz Catchyness nicht dauerhaft zu begeistern, denn ein fast zehn minütiges Epos wie „Beelitz“ verlegt die Reizschwelle deutlich nach oben, vor allen Dingen, da hier die Rechnung in Sachen Morbidität einmal aufgeht, verweist der Titel des Songs doch auf die „Beelitz Heilstätten“, und wer sich die einmal anschaut, dem gruselt’s bei der runtergepitchten Stimme im Outro tatsächlich ein wenig, ein Effekt, der an das Ende des The Smiths Songs „Rubber Ring“ mit seinem angeblichen Geister-Sample erinnert.

Ein Überwiegen der Horrorthematik über die Musik lässt sich allerdings nicht feststellen, selbst Zeilen wie „Under the bridge / people get married / everything fits / couldn’t be better / the words in their mouths and their mouths in each other / roars from the deep / terrified children / eleanor speaks / burning her fingers / hello hello / are you wandering / by the falling trees“ („Eleanor Speaks“) können weder ohne musikalische Untermalung wirken noch diese verdrängen. Eine Beschäftigung mit den Texten ist aber dennoch empfehlenswert, gehören diese doch eher dem phantastischem Genre vom Schlage eines E.A. Poes an als dem Splatter- oder Gorevokabular. Wer aber auch darauf zu verzichten vermag findet in „Eggs“ ein opulentes und zur Zeit einzigartiges Popalbum, dessen Macher reizvollen Ideen ohne Um- und Irrwege nachgegangen sind.

80

Label: Leaf

Referenzen: Figurines, MGMT, The Paperchase, Mew, Cloud Cult, Arcade Fire, Efterklang, Traffic

Links: Homepage / Myspace

VÖ: 02. 04. 2010

7 Kommentare zu “Rezension: Oh No Ono – Eggs”

  1. Lordy Drug sagt:

    Schöne Rezension, wäre sonst nicht auf die Idee gekommen die Platte hören zu wollen.

  2. Lennart sagt:

    Yeah! Vielen Dank, so soll’s sein! (-:

  3. Dr. Love sagt:

    Eine spannende Platte, die durch mehrmaliges Hören wächst. Als Referenz sind hier auch Queen oder Boney M. zu nennen. Und wem das nicht zu peinlich ist… http://www.jahrgangsgeraeusche.de/2010/01/27/oh-no-ono-eggs/

  4. Lennart sagt:

    ah, stimmt, queen! das hast Du auf jeden Fall recht, ich vergaß! Boney m. sehe ich da nicht so, kenne ich vielleicht aber auch zu wenig… und warum nicht auch mal ein Link (-: ?

  5. Pascal Weiß sagt:

    Gestern erster Durchgang: Zählt zu den besten Popalben, die ich in den letzten Jahren gehört habe. Famose Produktion.

  6. Lennart sagt:

    Da zitiere ich doch ausnahmsweise einmal den Promotext:

    „Eggs wurde über einen Zeitraum von 9 Monaten in einem kleinen Landhaus auf der dänischen Insel Mon aufgenommen. (…) Die Band verflechtet (…) Field Recordings aus ihrer Inselumgebung, wobei auch abseitige Techniken zur Verwendung kommen. (…) Das Percussioninstrument besteht aus einer mit Wasser befüllten Tonne. (…) Ein gewaltiger Chor aus Freunden der Band singt mit Orgelbegleitung in einer 300 Jahre alten Kirche. Dort wurden auch die (zum größten Teil selbst arrangierten) Streicher aufgenommen.“

    und nicht vergessen: die band tourt im mai, einmal sah ich sie bereits, und es war großartig.

    22.05. Hamburg, Prinzenbar
    23.05. Berlin, Privatclub
    24.05. Köln, Studio 672
    25.05. Frankfurt, Nachtleben
    26.05. München, 59:1

  7. […] Oh No Ono – Eggs Wild Nothing – Gemini Julian Lynch – Mare The School – Loveless Unbeliever Tame Impala – Innerspeaker […]

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