SeabearWe Built A Fire

Auf der To-Do-Liste steht seit Ewigkeiten endlich mal eine Rezension eines isländischen Albums ganz ohne Klischees, ohne Elfen, Trolle, Björk, Geysire und unwirtliche Landschaften. Nichts leichter als das denkt man sich da, hat die Rechnung aber wohl ohne die zahlreichen Künstler und Bands gemacht, die dieses kleine Land ja bekanntermaßen nahezu unaufhörlich hervorbringt.

Ähnlich sieht die Sache auch bei Seabear aus, die uns hier den Nachfolger ihres in Liebhaberkreisen hochverehrten Debütalbums „The Ghost That Carried Us Away“ präsentieren. Auf „We Built A Fire“ wimmelt es nur so vor sehnsuchtsvollen und naturromantischen Island-Niedlichkeiten, die dem geneigten Whimp das Herz aufgehen lassen und zynischer aufgelegte Zeitgenossen in ihrer Ablehnung nur bestätigen können.

In Anlehnung an den Albumtitel kann man sich Seabear wie eine kindgebliebene, sympathisch spleenige Naturfreundegemeinschaft vorstellen, die sich abends ums Lagerfeuer sitzend sehnsüchtige Lieder von der großen, weiten Welt vorsingt. Der wesentliche Unterschied zum behäbigen aber nachhaltigen Vorgängeralbum besteht darin, dass die Band diesmal ein Stück weit aufgeweckter zur Sache geht und immer wieder neue Holzscheite ins munter vor sich hin züngelnde Feuer schmeißt. Das geht sogar soweit, dass in „Warm Blood“ eine waschechte Feedbackgitarre ausgepackt wird, die man diesen so freundlich und harmlos aussehenden jungen Menschen beinahe gar nicht zugetraut hätte. Auch sonst überraschen Seabear hier gerne einmal mit Tempowechseln, die dieses liebevoll mit Banjo, Piano, Mundharmonika, Glockenspiel, Streichern und Bläsern ausstaffierte Treiben gelegentlich auf den Kopf stellen. „Cold Summer“ beispielsweise beginnt zunächst als äußerst verhaltene Klavier- und Streicher-Ballade, nur um sich dann plötzlich doch noch aufzuraffen und mit sich hinzugesellenden Bläsern und Rhythmussektion gen Ziel zu trudeln. Auch „We Fell Off The Roof“ wird in seiner Getragenheit immer wieder von stromschnellengleichen Instrumentaleinlagen unterbrochen, die dem sonst ruhigen Fluss dieses Liedes den nötigen Wellengang verleihen.

Nur um das jetzt nicht falsch zu verstehen: „We Built A Fire“ ist zwar in wesentlichen Teilen verspielter als sein Vorgänger, jedoch immer noch weit davon entfernt als buntes Spektakel goutiert zu werden. Was dieses Album viel mehr vor der bei derartig ausgelegter Musik nur allzu gefährlichen Beliebigkeitsfalle bewahrt, ist neben der hier ausgelebten großen Liebe zum Detail vor allem Seabears Fähigkeit ihren Songs Tiefe zu verleihen. Allein die sanfte, Sehnsucht in all ihren Ausprägungen deklinierende Stimme Sindri Sigfússons vermag es einen nebligen, aber niemals hoffnungslosen Schleier aus Melancholie über dieses Album zu legen, der schon „The Ghost That Carried Us Away“ zu einer Langzeitwirkung verhalf, die man anfangs nur schwer erahnen konnte. Auch dem neuen Album echte Grower-Qualitäten zu bescheinigen, dürfte damit wohl nicht allzuweit hergeholt sein, womit im Grunde eigentlich alles beim Alten bleibt im Hause Seabear. Lediglich auf eine gänzlich unisländische Island-Platte wird man so scheinbar auch weiterhin noch lange warten müssen.

75

Label: Morr Music / Indigo

Referenzen: Loney Dear, Belle & Sebastian, Sufjan Stevens, Múm, Rökkurró, Benni Hemm Hemm, Iron & Wine

Links: MySpace, Last.fm

VÖ: 26.02.2010

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