Was muss Musik? Eine Frage, die wieder und wieder durch den Popdiskurs gejagt wird. Kaum eine Band, die in diesen Topf geworfen wird, die nicht aus der Hamburger Schule stammt oder zumindest deren Hausaufgaben in der Pause erledigt hat.  Und nun Tocotronics neues Album „Schall und Wahn“, der Abschluss einer so nie gedachten Trilogie.  Kulturteil  i hör dir trapsen.

Dabei gibt sich die Band in Interviews immer bewusst als verzerrter Gegenentwurf von dem, was die betreffende Gazette von ihr hat. Bereitwillig wird bei der Welt, SZ und laut.de zum Interview gestanden und betont, wie überbewertet eine Rockband doch sein kann.

Wenn nun „Schall und Wahn“ die ersten Male rotiert, macht sich die Erkenntnis breit, dass schon von vornherein klar war, dass dieses Album bejubelt wird. Die Rebellion mit Scherzen wie „SDS“ ist eben ein Witz und als selbigen sieht ihn Dirk von Lowtzow wohl auch. Hinter der Oberfläche von Songs wie „Ein leiser Hauch von Terror“ versteckt sich ein breites Grinsen und jede Interpretation perlt an diesen Worten ab. Dabei klingt das neue Album wahrlich wie der Strich unter dem Schaffen der letzten Jahre. „Eure Liebe tötet mich“ hätte ebenso Platz auf dem weißen Album gehabt, andere Stücke hätten aus „Pure Vernunft darf niemals siegen“ ein unverkrampfteres Album machen können. Die Gitarre ist schon lange nicht mehr wütend, sondern hat einfach nur resigniert, auch wenn die Produktion versucht das Gegenteil zu beweisen.

Die ganze Scheibe klingt vertraut und ist vielleicht Stagnation auf hohem Niveau. Eigentlich kein Wunder, dass spaßeshalber von der Berlin Trilogie gesprochen wird. Zu gut passen diese drei Alben sowohl musikalisch als auch sprachlich zu einander. Verschachtelte Texte sind eigentlich nicht vorhanden, viel mehr ist die Sloganhaftigkeit von einst einem Schweben in der Sprache gewichen, das sich abstrakt anbiedert. Schönheit und Klang zwingen Botschaft sich unterzuordnen, ob es nun passt oder nicht. Vorhanden sind diese auf jeden Fall noch, aber beim Aufbröseln gibt es keine Hilfe.

Der Kern dieses Albums ist kein Schlüsselroman. Es lohnt sich nur auf der Ebene der Sprache zu bleiben und Lieder wie „Das Blut an meinen Händen“ einfach ihren Lauf zu lassen. Doch bleibt am Ende ein kleiner Nachgeschmack. Ist das die Band, die einmal ein hingerotztes „Ich verachte euch wegen eurer Kleinkunst zutiefst“ veröffentlichte? Ein Aufbegehren gegen die Schublade, in die Tocotronic gesteckt werden, findet auch jetzt nicht statt. Krach soll als neues Futter dienen, verödet aber leider zu oft in Belanglosigkeit.  Mit dem Gestus, den „Schall und Wahn“ an den Tag legt, können oder wollen Tocotronic sich nicht aus dem Fahrwasser der Feuilletons befreien.

Tocotronic „Schall und Wahn“ erschien am 22.01.2010

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Ein Kommentar zu “Gekommen um zu bleiben | Tocotronics „Schall und Wahn“”

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