Am besten gruselt es sich, wenn das Bedrohliche sich von Unwissenheit nährt, die Quelle der Furcht raschelnd durch das Laub streicht, und nicht, wenn Bäume plötzlich laut krachend umstürzen. Auch Schauern ist dann am intensivsten und reizvollsten, wenn sich unbemerkt Gefühle manifestieren, die nicht zu benennen sind. Insofern ist es durchaus als Kompliment zu verstehen, wenn einen das Debüt der Thus:Owls nach dem ersten Durchlauf leicht angeschlagen zurücklässt.

Da gibt es zum einen all die Schönheit auf „Cardiac Malformations“, allen voran die Stimme Erika Alexanderssons, die sich nicht auf einen Charakter reduzieren lässt und scheinbare Schwächen aufweist, deren Summe wiederum eine variantenreiche Art des Gesangs in einer überraschende Fülle von Nuancen ausmacht, zum anderen das Zusammenspiel der Instrumente. Wenn die Bläser in der zweiten Strophe des Songs „Yellow Desert“ plötzlich wolkengleich aufziehen, ist das im besten Sinne kunstfertig, „Climbing the fjields of Norway“ gleicht einem festlich verzierten Koloss, dessen Schmuck im wiegenden Stampfschritt in der Sonne glitzert. „So this is love / nothing we ever could prepare for“ heißt es dort, und ja, die Liebe trifft stets unvorbereitet, so auch in diesem Fall.

Schließlich scheint es eingangs nicht so, als könne man in all der gebotenen Fülle einen Anhaltspunkt finden, auf den sich das Interesse fokussieren lässt, zu vollgepackt ist die Musik der Band aus Schweden. Da gibt es Jazziges mit merkwürdigem Scat-Gesang („Sometimes“), esoterische Beinahe-Ambientmomente bei „Eagles coming in“ und immer wieder aufwendig gestaltete Ausbrüche wuchernder Instrumente. Von diesen fesselt, aufgrund einer durch die Melodiefülle und ihr Wechselspiel hervorgerufenen leichten Überforderung, der Bass, der hier tatsächlich als eigene Stimme fungiert und am besten in den zahlreichen Momenten des Auslassens zur Geltung kommt.

In der Bereitschaft zu diesem liegt ein Spiel begründet, das die durchaus vorhandenen Fähigkeiten sämtlicher Bandmitglieder (z.B. Patrick Watsons und Loney Dears) daran hindert, sich in den Vordergrund zu drängen. Zwar gibt es vieles an virtuosen Wendungen zu entdecken, wirklich beeindruckend sind jedoch nicht diese selbst, sondern die Lebendigkeit, die sie den Stücken entgegen aller Artyness verleihen. Man beobachtet gerne die Wuchtigkeit und Massivität, mit der das Album als Ganzes voranschreitet. Filigranes dient hier stets zur Ausschmückung und ist nur in Ausschnitten zu erkennen, dann nämlich, wenn man sich auf eine einzelne Stimmführung konzentriert und so das dazugehörige Stück als einzelnes aus den Augen verliert. Jedoch bringen sich die Songs auf „Cardiac Malformations“ immer wieder durch vermeintlich unbewusst und grob vollführte Schlenker, die niemals ins Leere laufen, sondern die Grenzen eines klar erkennbaren Bereichs ausloten, der durch die Musik niemals verlassen wird, als Einheit in Erinnerung. Dieser Bezirk ist ebenso willkürlich definiert wie auch auf eine verstörende Weise logisch, selbst dann, wenn er sich in kleinen Noiseeskapaden ergeht und ordentlich rumgetrampelt wird. Neben solch sphärischen Chören wie bei „The Atlantic“ gibt es nämlich auch noch ein paar Biestigkeiten, deren Ziele und Richtung nicht ganz klar sind.

An diesem Punkt beginnt dass eingangs herbeizitierte Gruseln, das sich am ehesten als ein eingelulltes Unbehagen kennzeichnen lässt. Unklar ist, warum bei einer recht großen Fülle schöner Momente und Wendungen das Beunruhigende  nie ganz weichen will, als gewiss aber kann gelten, dass dies in der Absicht der sicherlich recht ambitionierten MusikerInnen liegt. Man sollte es ihnen dankend anrechnen.

73

Label: Almost Musique

Referenzen: Patrick Watson & The Wooden Birds, Elfin Saddle, Björk, Wildbird & Peacedrums, The Tiny, Efterklang, Grizzly Bear

Links: Homepage / Myspace

VÖ: 22. 01. 2010

Ein Kommentar zu “Rezension: Thus:Owls – Cardiac Malformations”

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