Adam GreenMinor Love

Jedes Jahr werden verschiedenste Entstehungsgegebenheiten, unterschiedlichste Vorboten und Einflüsse für zigtausende Alben von der oftmals eigentlich rat- und wortlosen Musikpresse stereotypisiert. Statt Selbsterkenntnis werden die immergleichen Begründungen, warum dieser Sound, dieses Album, diese Konstellation so einmalig ist, für die Story zum Album in immer größeren und bunteren Luftballons aufgeblasen. Besonders nervig ist dies beim Beispiel von Adam Green. Ein Typ, der stets und seither versucht sich dem Geniebegriff zu entziehen. Ein Typ, der in unzähligen Interviews seine Zahnreihe blitzen lässt und sonst höchst eloquent völligen Nonsens schwer überzeugt herausposaunt. Dass das nicht nur witzig, sondern bezeichnend ist, wird oftmals leider unterschlagen.

Für Adam Greens Neue, „Minor Love“, soll es wieder die Trinkerstory sein. Der Mann hat demnach also ein Jahr und literweise Hartes und Weiches verzecht und dabei zu sich selbst gefunden. Das macht den neuen Charme aus, das ändert alles. Dass Adam Green nach wie vor und auch hier vornehmlich wie Adam Green klingt? Zu ignorieren. Dass weiterhin 100% Adam Green-Anteil in Adam Green enthalten ist? Völlig unwichtig. Green ist ein anderer. Nicht nur ärgerlich, sondern gar paradox wird es aber dort, wo dieser Typ tatsächlich musikalisch so viel richtig gemacht hat, wie schon länger nicht mehr. Dort, wo wirklich ein zum Teil neues Gesicht zum Vorschein kommt, das aber mit der angedichteten Einjahreskneipentour-Blitzselbstfindung nicht viel zu tun haben mag. Der Mann geht ganz einfach den nächsten Schritt.

Wesentlich geerdeter und ruhiger wirkt Green auf „Minor Love“. Streicher sucht man vergebens, dafür sind die Crooner-Anleihen noch deutlicher in die Mitte gerückt. Besonders in der ersten Hälfte ist die Hammond ständiger Begleiter und Mutmacher für den auf interessante Weise durchaus gereiften Green. Textlich verspaßt er nun seltener die bedeutsameren Themen des Lebens und lässt die unwichtigen eher außen vor. Green nimmt sich selbst und seine Umwelt ernster. In seinem Kosmos bedeutet das glücklicherweise nicht, dass da nicht doch eine Spur beachtlich gespielter Beknacktheit mitschwingt. „Buddy Bradley“ gereicht in Sachen Effektivität für höchste Ansprüche, beim irrwitzig umkippenden „Bathing Birds“ fallen die Vögel hinterrücks von der Stange. „Stadium Soul“ hingegen nimmt sich einen ulkigen Klick, niedliches Säuseln und einen flotten Südstaatenbeat und meistert einfachste Triolen mit größter Sorgfalt. Sein einst selbstbetitelter Anti-Folk ist später in erster Linie nicht mehr da. „Don’t Call Me Uncle“ ist der vielleicht größte Einzelsprung auf „Minor Love“. Nur mit Gitarre und Güterwagon-Nachhall versehen, wirkt Green so weit wie noch nie. Das Album in Gänze läuft und geht durch. Geht durch in 30 Minuten, die erst spät ihre Zähne entfalten und hängen bleiben. Green hat einen Sprung gemacht. Keinen riesigen, aber doch einen entscheidenden. So gern man sich nun also von investigativen Kneipengeschichten und dem Resultat neuer Reife befreien möchte, „Minor Love“ zeugt von einer neuen Erwachsenheit. Wenn daran nicht das Bier Schuld trägt, umso besser.

62

Label: Rough Trade / Beggars / Indigo

Referenzen: Ben Kweller, Babyshambles, Ween, Ben Folds, Pulp, They Might Be Giants

Links: MySpace, Homepage

VÖ: 08.01.2009

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