Mission Of Burma und die fehlende Aufmerksamkeit

Das intensive Studieren von Promo-Infotexten, im Fachjargon auch unter Bio oder Waschzettel bekannt, versüßt einem so manchen Tag. Dabei gilt, das zeigt die Praxis, die Regel, je unbekannter und/oder desorientierter, talentloser die Band, desto offensiver der Text. Und immer schön den 5-Punkte-Plan im Auge behalten, das ist wichtig.

Als erstes muss der Hörer natürlich wissen, dass er gerade den absolut heißesten Scheiß in Händen hält („Das bahnbrechende, sensationelle Debüt“). Danach folgt die Genre-Einordnung, wobei darauf zu achten ist, dass man sich nicht in eine Ecke drängen lässt („Der Band gelingt es spielerisch, Genregrenzen aufzuweichen“), die Betonung der Einzigartigkeit („was man in der Form noch nicht zu Ohren bekommen hat“) sollte Formsache sein. Zusätzlich gilt es, aktuell durch die Presse geisternde, angesagte Kapellen als Referenzen heranzuziehen („klingt wie eine aufregende Mischung aus Vampire Weekend und MGMT“) und schlussendlich die Brillanz der Band mit historischen Schwergewichten zu unterstreichen („Wenn Eurythmics im Jahr 2009 eine Platte aufgenommen hätten, würde sie vermutlich genau so klingen“). Solche Lügenkonstrukte, die zumindest zeitlich kaum Mehraufwand bedeuten, da häufig nur der Bandname per Copy & Paste in den entsprechenden Lückentext eingefügt werden muss, zehren natürlich an den Nerven, Glaubwürdigkeit wird schließlich groß geschrieben im Musikbiz.

Im Falle von Mission Of Burma hätte es der ganzen Märchen gar nicht bedurft, die Brisanz steckt hier bewiesenermaßen in der Bandgeschichte, sodass der Hörer gar mit zahllosen Quellenverweisen gemästet werden könnte. Da das Vorgaukeln von Scheinwelten derzeit aber viel hipper ist als reine Recherche, sitzt man mit seinem vorgefertigten Text natürlich in der Klemme – glücklicherweise schafft da die eingangs erwähnte Regel Abhilfe, die zudem genug Spielraum für eine eigene Auslegung lässt. Kurzum wird hierzulande – und dieses Mal stimmt es tatsächlich – für eine der einflussreichsten US-Indie Bands der 80er einfach keine Promo gemacht, so einfach ist das.

Wird dieses Beispiel nicht bierernst genommen, sondern im weiteren Sinne betrachtet, gelangt man zu dem Ergebnis, dass Mission Of Burma mit ihrem musikalischen Anspruch, dem konsequenten Ablehnen von Modetrends, ihrer Einzigartigkeit im Schaffen und dem irgendwie daraus resultierenden Umstand, dass auch die neuen Songs nicht beim ersten Hören zünden und zudem wie schon dreißig Jahre zuvor dem New Wave Trend trotzen, hier und heute gewissermaßen nur eine Nebenrolle einnehmen. Selbst vor dem Hintergrund, dass die Band sicherlich kein großer Fan von überzogenen Promotion-Kampagnen ist, steht die Frage im Raum, warum ihnen in Deutschland nicht zumindest ein klein wenig mehr Aufmerksamkeit zuteil wird.

Roger Miller, Clint Conley und Peter Prescott scheinen auch mit Martin Swope-„Ersatz“ Bob Weston (Shellac, Big Black) zumindest innerhalb unserer Landesgrenzen vor den gleichen Problemen zu stehen wie Anfang der 80er in den Staaten. Es fehlt jegliche Lobby – als bedeutender Wegbereiter für R.E.M., Replacements oder letztendlich auch Nirvana, der maßgeblich an dem irrsinnigen Popularitätsaufschwung der Indie-Kultur Anfang der 90er und dem aufkeimenden, breitflächigen Interesse am Alternative Rock verantwortlich war. Und das, obwohl die Herren aus Boston knapp zwanzig Jahre nach dem Tinnitus bedingten Ende (Roger Miller) der erst vierjährigen Bandgeschichte mit „The Sound The Speed The Light“ nach „On Off On“ (2004) und „The Obliterati“ (2006) vor wenigen Wochen schon zum dritten Mal fast nahtlos an ihr 82er Referenzwerk „Vs.“ anknüpfen.

Sie sind ihrer Linie treu geblieben, Conley schreibt weiterhin seine unnachahmlichen Hymnen („SSl 83“, „Feed“, mit Holly Anderson) und präsentiert mit „1,2,3 Party“ den womöglich offensichtlichsten Hit seit „Academy Fight Song“, Roger Miller nimmt nach wie vor den Part des Denkers ein, dessen Songcharakteristika sich erst nach geraumer Zeit aus der Schale pellen („Forget Yourself“, „Comes Undone“ ), Peter Prescott, aus dessen Feder wieder drei Songs stammen, steht auch anno 2009 für seine druckvollen, polternden Drums („Possession“, „Good Cheer“) und auch Tape Manipulator Bob Weston hat sich seit der Reunion 2002 selbstverständlich als festes Mitglied etabliert. Sie sind eines der großen Phänomene des Indie-Rocks, auch in diesem Jahrzehnt. Nur wenige bekommen es mit.

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2 Kommentare zu “Mission Of Burma und die fehlende Aufmerksamkeit”

  1. Tom sagt:

    Was für ein Bogen, um schließlich bei der Band zu landen, Chapeau! (Und das ist nicht ironisch gemeint!)

  2. […] Mission Of Burma inzwischen jedenfalls mehr denn je fest zum Inventar popkultureller Diskurse, zwar weit davon entfernt, Ikonen zu sein, aber als wegweisendes Phänomen aus der Nische anerkannt. Dabei zehrt die Band nicht vom Ruf ihres […]

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