Überhaupt ist die Erwartung ein ziemlich undankbares Geschöpf. Lässt die Vorfreude, dieses tolle innere Beben, steigen und das Wasser im Munde zusammenlaufen. Und dann das! Auf dem Fuße folgt die Enttäuschung. Mit bedröppeltem Blick und hängendem Kopf muss man sich eingestehen, dass die Erwartungshaltung vielleicht gerechtfertigt war, aber nun einer gründlichen Neujustierung unterzogen werden musst. Wer kennt es nicht: Die alles versprechende Silvester-Monsterparty gerät zu einer öden und zähen Veranstaltung, das Konzert der Lieblingsband lässt dann doch die Magie der vorangegangenen Auftritte vermissen. Ein seufzender Aufstoß verlässt die Lippen.

Viel besser und prägender ist da der Umkehrschluss: Nichts erwarten und dann mit offenem Mund vor den Boxen stehen und noch Tage später davon schwärmen, wie erstaunlich dieser Moment denn eigentlich war. So geschehen beim „Harbour Boat Trips“-Sampler, zusammengestellt vom dänischen Beatbastler Trentemøller. Da blitzt neben diversen Indie- und Tronik-Künstlern eine dunkel schimmernde Perle hervor. Von einer Band, dessen Bestehen man vorab noch nicht einmal geahnt hat, obwohl sie bereits in Dänemark zwei Alben veröffentlichte und mit Jacob Bellens einen Sänger in ihren Reihen hat, der mit seiner Zweitband Murder durchaus bekannt sein könnte. „Somersault“ heißt dieser Song, eine tieftraurige Angelegenheit in joy-division-schwarz. „I never drank alcohol, I never got high“, erklingt es  dort in verlorenem Hall. Dazu ein simples Gitarrenmotiv in schwebendem Ambiente, das den passenden Soundtrack zur Schafskälte abliefert. Ein Ohrwurm, ein Hit, wie ihn eine Band nur einmal in ihrer Karriere schreibt, wenn überhaupt. Es wäre der Song des Jahres, wenn er nicht schon im Jahr 2007 publiziert worden wäre.

Nun steht bereits Album Nummer drei an, veröffentlicht jedoch nur in Dänemark und via iTunes. I Got You On Tape waten wieder metertief in der Melancholie und kommen nur schleppend voran, wobei die Gitarren durchaus etwas mehr lärmen und schneller laufen dürfen als noch zuletzt. Und doch bleibt diese Mischung ein reiner Anachronismus: Düsterer Neo-Wave mit männlichem Timbre in der Machart von Interpol und den Spurenlesern der Avantgarde der 70er Jahre ist heute kaum mehr als eine blasse Erinnerung an die Vergangenheit und ziemlich entkoppelt vom derzeitigen Geschehen in der Popwelt. I Got You On Tape kommen zu spät oder eben noch viel zu früh, um international aufhorchen zu lassen.

In diesem Fall darf man aber der Uncoolness anheim fallen, „Spinning For The Cause“ lädt geradewegs dazu ein. Da sind die dunkel-harmonischen Melodien, die getragen werden von übersichtlich geschlagenen Gitarren und lockeren Synthie-Einwürfen, die in nächtliche Sphären entschweben und die graugekörnte Stimme in Position setzen, die perfekt und unverwechselbar über den Songs thront. Abwechslungsreich geht es dabei zu: Von pluckernden, minimalen Songs, bis zu ruppigen und fast aufbrausenden Tracks, die die Spielbreite auskosten, die ihnen die Referenzbands einräumen. Und spätestens bei „The Blacksmith“ ist dann auch wieder diese Hymnenhaftigkeit da, die gerade auch bei den wunderbaren, reduzierten Songs wie „Polkadots“ und dem herausragenden „Talk About The Treadmill“ ins Herz schleicht und danach auch nicht mehr gehen will. Ergreifend ist wohl das richtig Wort dafür, wenn man bei „Beggars And Bangers“, die Traurigkeit fast schon körperlich zu spüren vermag und es dabei trotz großen Gesten und Pathos galore nie kitschig wird.  I Got You On Tape versprühen den Zauber des Moll und der unerwarteten Überraschung.

74

Label: Tigerspring

Referenzen: Joy Division, Interpol, Editors, Cut City, Murder, The National

Links: Homepage, Myspace

VÖ: 12.10.09 (Dänemark)

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