Krachender Herbst

Es ist wieder Herbst und wie gefühlt schon seit eh und je erscheint wie für diese Jahreszeit gemacht eine Unmenge an Alben, die einiges gemein haben: Atmosphäre, Verschlossenheit, Wut, Krach, Licht ausschalten und im Dunklen hören. Manche lang erwartet, manche als willkommene Überraschung, manche gänzlich unerwartet.
Pelican – What We All Come to Need
Dass ein unverwechselbarer Sound schnell zum Boomerang werden kann, mussten auch Pelican feststellen. Nach zwei grandiosen ersten Alben, die wie Zwillinge daherkamen, verzettelte sich die Band beim dritten Werk „City of Echoes“ an der Vorstellung, etwas ändern zu müssen. Keine einfachen Vorzeichen für „What We All Come to Need“ also. Doch der neuste Versuch, diesmal mit etlichen Gästen, allen voran Mentor Aaron Turner, kann als gelungen bezeichnet werden. Seichte und vorhersehbare Momente sind fast komplett aus dem Repertoire verschwunden, die harte Kompaktheit früherer Tage lugt wieder zwischen den abermals repetitiven Gitarrenwänden hervor. Und so gibt es auf der einen Seite tatsächlich neue, lang ersehnte Perlen: „Glimmer“ und „The Creeper“ (mit Greg Anderson) knüpfen dort an, wo Pelican irgendwann aufgehört haben und rücken darüber hinaus „What We All Come to Need“ in ein schwermütiges Licht, was in dieser Form sogar Neuland für die Band ist. Dieser neue Ansatz lässt langatmige Momenten, eine Konstante im Pelican- Universum, weniger gravierend erscheinen. „Specks of Light“ ist gespickt mit solchen Momenten. Das längste Stück des Albums ist leider nicht mehr als ein durchschnittlicher Isis- Song. Aber alles halb so schlimm: Pelican sind wieder da.
Label: Southern Lord
Referenzen: Isis, Russian Circles, Red Sparowes, Jesu, Long Distance Calling
Links: myspace
VÖ: 06.11.2009
Dÿse – Lieder sind Brüder der Revolution
Dÿse, die größten Förderer von Strg+C/ Strg+V seit Menschengedenken, sind gut in Form: Als Liveband packend wie legendär, ist es nun auch erstmals so richtig gelungen, diesen Eindruck auf Platte zu bannen. Von Beginn an außer Atmen, sofort die Instrumente am Anschlag, der Schweiß perlte schon zuvor von der Stirn. In erster Linie ein Trink- und Partyalbum erster Güte, zeigt „Lieder sind Brüder der Revolution“ sich auch handwerklich ausgefeilt. Der Fülle an großen Haudrauf- Gesten wie „Treppe“ und „Shop Sui“ stellen Dÿse ihre experimentelle Seite entgegen. Doch „Trick“ und „Baubaubau“ (Bohren & Der Club Of Gore lassen grüßen) erfüllen nicht etwa den Zweck, dem Hörer (und Drummer) nach den vorangegangen Attacken auf Leib und Seele etwas Erholung zu gönnen. Es sind geschickt gesetzte Fixpunkte, die nie unterfordern, die Konzentration aufrecht erhalten und die Sinne nicht endgültig im Noisegewitter untergehen lassen, bevor sich Dÿse in eben jenes zurück begeben. Denn das bleibt klar ihr Metier. Da ist es logisch, dass das Album nicht mit dem lieblichen Vogelgezwitscher von „Baubaubau“ ausklingt, sondern noch schnell das wütende „Hans Georg“ nachgeschoben werden muss.
Label: Exile On Mainstream
Referenzen: Ulme, Volt, Oxbow, Mclusky, Shellac
VÖ: 09.10.2009
Eagle Twin – The Unkindness of Crows
Vor dem Sunn O))) Konzert in Köln wird natürlich auch über die Vorband diskutiert. „Eagle Twin“, meinen einige, „sind Sunn O))) mit Gesang“. Fürs erste eine brauchbare Einschätzung, jedenfalls was die Intensität angeht. „The Unkindness of Crows“ nimmt sich, wie schon viele andere zuvor, eines mystischen Themas an (Vögel, wer hätte das gedacht?). Es wältzt sich auf einer Soundwand getrieben von der halb gebrüllten, halb gepressten, aber immer glasklaren Stimme Gentry Densleys (Iceburn) immer weiter in Richtung Abgrund. Selbst für ein Doom- Album, und „The Unkindness of Crows“ ist trotz so mancher Spielereien am Rande im Kern Doom in Reinform, überraschen Eagle Twin mit einer so nicht erwarteten Lautstärke. Vor allem Densleys Gitarre scheint weit über die Leistungs- und Schmerzensgrenze hinaus zu gehen, den Rest erledigt Tyler Smith mit seinem äußerst geerdeten und alles durchdringenden Drumming. Nebenbei: Vielleicht würde so einer auch Pelican (siehe oben) gut tun. Über Alben aus diesem Genre wird immer leicht gesagt, sie seien nicht für jedermann geeignet. Gerade diese Einschätzung kommt bei „The Unkindness of Crows“ nicht so leicht über die Lippen. Erstens treiben es Eagle Twin trotz Lautstärke nicht auf die Spitze; ihre Musik dürfte für den „normalen“ Musikinteressierten weder abstoßend wirken, noch zu heavy, noch zu verschachelt sein. Zweitens versteht es das Duo aus Salt Lake City den Kern seiner Musik nicht oft, aber gezielt genug, mit soften Anleihen (King Crimson, Genesis) zu versehen, so dass die Tür zu einem breiteren Publikum nicht ganz verschlossen ist.
Label: Southern Lord
Referenzen: OM, Khanate, Sunn O))), Godflesh, Sleep
Links: myspace
VÖ: 16.10.2009