Do Make Say ThinkThe Other Truth
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Referenzen:
Explosions In The Sky, Mono, Scraps Of Tape, This Will Destroy You, Caspian, Gregor Samsa, Red Sparowes, Godspeed You! Black Emperor
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Autor: |
Markus Wiludda |
Die Risse im Beton werden größer, die Zuversicht kleiner. Nur ab und zu keimt die Flamme der Hoffnung auf, um kurz darauf wieder mit Brachialität ausgepustet zu werden. Das Spiel zwischen laut und leise, das Aufbäumen, die spätere Erlösung – dies alles sind die Kardinalsthemen des Postrocks. Ein notwendiges Muss, denn schließlich singen hier nur die Gitarren, räuspern sich nur Bässe und es kommentiert ausschließlich das oftmals humorlose Schlagwerk. Entsprechend bedeutungsoffen sind die Songs. Jeder Hörer kann interpretieren, seine eigenen Gedanken einflechten und später das Ganze wieder verwerfen.
Wenn man so mag: Postrock, das sind wortlose Epen über die Bedeutsamkeit des Daseins, die ganz großen Themen. Oftmals existenzielle Erfahrungen, die Rausch und Erdung gleichermaßen sind und in ihrer überbordenden Verstrickung in den letzten Jahren mit Bands wie Explosions In The Sky, This Will Destroy You, Mono oder Godspeed You! Black Emperor für Aufsehen gesorgt haben. Seit sechs Alben sind nun auch Do Make Say Think dabei, liefern in aller Regelmäßigkeit Gitarrenstürme und zaghaftes Beben ab. Und Schönklang, denn diese Kanadier folgen keinen infernalischen Pfaden, sondern suchen das Gralsgefühl der wundersamen Melodie.
Entsprechend gibt es auch auf „The Other Truths“ kaum sägende Endzeitstimmungen, von der völligen Verausgabung beim zwölfminütigen „Make“ einmal abgesehen, die bei gut zwei Dritteln der Wegstrecke sich in Klanggewalt wandet und schließlich mit Pauke und Gong allmählich erstirbt. Das Ende verkünden dann standesgemäß dumpfe Blechbläser, die jedoch dem Ganzen mit biblischer Schwere keine Hoffnung mehr zufächern können. Überhaupt finden lautmalerische Zuckerklänge nur vermehrt bei „Do“ eine Behausung, das zum Beginn versöhnlich alle Klagen mit flottem Rhythmus auskuriert, herumtänzelt und neben allen Dissonanzen im Gitarrenpicking belebend wirkt, bevor der Song fachgerecht ausfasert. Es bleibt indifferentes Feedback, graubraunes Gitarrenrauschen und Keyboardgeflirre über vier Minuten, was die Stimmung vollends ins Bedrohliche kippen lässt und sinnbildlich für dieses Album steht: Überlänge, das gepflegte Crescendo und das Enden im Nirgendwo, dass Unendlichkeiten vom Anfang entfernt scheint. Verwirrende Störgeräusche in undefiniertem Raum.
Vier Songs lang geht das so. Vier Songs, die sich ihre Zeit für Spannungsbögen nehmen. Die Fokussierung aufs Perkussive wie bei „Say“ wird dabei konterkariert von der wohlgeformten Redundanz eines „Think“ und dem aufbrausenden „Make“. Die Reichhaltigkeit scheint im Detail grenzenlos und lauert nur so auf Entdeckung: Feste Strukturen werden aufgebrochen, Motive und Formen versetzt und abgeschliffen. Mit Do Make Say Think warten da draußen Abenteuer und Leidenschaften, besonders, wenn man diesen Instrumental-Epen mit Kopfhörern folgt. Und dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass manche Tracks an einer Abgespanntheit leiden, die bei nur vier Songs entsprechend durchschlagend wirkt. Monolithisch und kantig wollen Do Make Say Think klingen, ermatten aber auf halben Weg dahin. Weder die erhellenden Momente strahlen in gleißendem Licht, noch drücken die schwermütigen Klangwälder mit ihren Pranken die Luft genügend ab, um diese Art von Atemlosigkeit zu produzieren, die wirklich physisch wirkt. Tatsächliche Ergriffenheit und wahre Schönheit findet man eher auf ihren letzten Werken.
Label: Constellation
Referenzen: Explosions In The Sky, Mono, Scraps Of Tape, This Will Destroy You, Caspian, Gregor Samsa, Red Sparowes, Godspeed You! Black Emperor
VÖ: 16.10.09