Die kalte Ostfront hinterlässt die Natur im Streit: Bäume und Blätter gehen ab sofort getrennte Wege, der Regen ist voller Zorn, die Stürme eine dunkle Wucht. Man mag es ja schon gar nicht mehr hören, diese Naturallegorien und Jahreszeitenverweise und dennoch: „Good Morning Jokers“ ist so karg, so trist und zerrissen wie der Herbst, das emotionalste aller Quartale. Als hätte man das Dunkle akzeptiert, das Sorgevolle und Schwere – so geheimniskrämert dieses finnisch-französische Duo in ihrer Hütte vor den Toren Helsinkis in eigenem Schmerz.

Meist in bedrückender Langsamkeit werden die Titel vorgetragen, die vor Disharmonien bersten und schwer am Moll zu tragen haben. Musik, die einer gewissen Romantik nicht entbehrt, geht es hier schließlich um Innerlichkeiten, die mit geradezu resigniert klingenden Stimmen vorgetragen werden.

Oft auf Gitarren reduziert, brechen zerdellte Instrumente diese Übersichtlichkeit auf – beim sturen „Bingo“ sind es wildwüchsige Blechbläser, später gesellen sich noch Violinenarrangements und spröde Klavierakkorde dazu, die ihre Bedrohlichkeit nur kurz unter ihrem Filzmantel zu verstecken gedenken. Und das Akustikpicking erst! Oft verschleppt, dann so herrlich wirr und doch immer präsent genug, um die gehauchten Weiblein/Männlein-Stimmen zu kontrastieren, mit denen die Stimmung steigt und fällt. Meist fällt. Aber irgendwie fühlt sich derlei Gefühlsduseligkeit und klamme Tristesse auch nicht falsch an. Es ist ein Kampf, den es nicht zu gewinnen gilt. Mit dieser Einsicht im Kopf gerät dieses Werk zu einer wunderbaren Selbstverständlichkeit. Gestern war Melancholie, heute ist Schwermut.

67

Label: Borne

Referenzen: Marissa Nadler, Cyann & Ben, Meg Baird, Castanets, Mount Eerie, Nancy Elisabeth, Nina Nastasia & Jim White

Links: Myspace

VÖ: 15. 08. 2009

Ein Kommentar zu “Rezension: Mi & L’au – Good Morning Jokers”

  1. Gawain sagt:

    schöne rezension, auch wenn sie sich nach einer besseren wertung anhört. für mich eine der spannendsten vö in diesem jahr, würde bei den referenzen vielleicht noch leonard cohen anfügen, vor allem wegen der stimmfärbung!

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum