Auf der Suche nach dem nächsten großen Ding. Seitdem 2005 die letzte große Brit Pop-Welle über uns hereinbrach und die Indie-Discos überflutete ist es einigermaßen still geworden um die englische Gitarrenmusikszene. Zwar kreiert der NME unbeirrt und emsig wie eh und je neue Hypes im Wochentakt, doch so richtig durchsetzen konnte sich in den letzten Jahren kaum einer davon. Ein neues Revival muss also ganz dringend her und was läge da angesichts der Wiedervereinigung von My Bloody Valentine und den Distortion-Experimenten aus Übersee mehr auf der Hand als die Reaktivierung der guten alten Shoegazer-Tradition unter neuem Label „NuGaze“?

In dem Duo The Big Pink, bestehend aus Klaxons-Entdecker Milo Cordell und Alec Empire-Gitarrist Robbie Furze, scheint man nun die passenden Hoffnungsträger für dieses Unterfangen gefunden zu haben, die mittels der recht vielversprechenden, gekonnt Gitarrenwände mit Elektrobeats verbindenden Single „Velvet“ schon für allerlei Geschrei sorgen konnten. Hört man sich nun aber „A Brief History Of Love“, das heiß erwartete Debütalbum der Band, etwas genauer an, dürfte einem schnell klar werden, dass die hier mit dem ätherischen Rauschen der Frühneunziger-Shoegazer wie My Bloody Valentine und Slowdive höchstens den intensiven Einsatz der Effektgeräte gemeinsam haben. Schüchtern zu Boden gestarrt wird hier nämlich nirgendwo, mit der obligatorisch angeklebten Sonnenbrille im Gesicht könnte man dort unten vermutlich eh nicht viel erkennen. Stattdessen wird breitbeinig auf das WahWah-Pedal gelatscht und dabei mit einem Auge schon über den Brillenrand und das jetzige Publikum hinweg auf die ganz großen Hallen und Open Air-Bühnen geschielt, wo zertrümmerte Hotelzimmer, Alkohol und Koks in Massen locken.

„A Brief History Of Love“ gibt sich oft düster, manchmal feierselig und fast immer triefend vor Rock’n’Roll-Pathos. Das reicht zwar für eine Handvoll Hits, wie das bereits erwähnte „Velvet“ oder auch den zukünftigen Indie-Disco-Schlager „Dominos“, zu dem man sich vor dem geistigen Auge schon in schwachen Momenten betrunken auf der Tanzfläche in die Arme fallen sieht, ruft aber auf Albumlänge in all seiner Kalkuliertheit bei mittelmäßigem Songwriting oft nur gähnende Langeweile hervor. „Love In The Vain“ beispielsweise stellt mit seinem synthetisch klingenden Streicherintro einen erschreckend durchschaubaren und selbstverständlich gescheiterten Versuch dar, hier ein persönliches „Bitter Sweet Symphony“ zu landen. Man mag der Band ihre an Primal Scream erinnernde Vielseitigkeit und durchaus originelle Kombination aus Shoegaze, Manchester-Rave und ein wenig Elektrorock zugute halten, letztendlich machen aber die ganz offensichtlich dahinter steckende Berechnung sowie ein latent im Trockennebel hängender Machismo diese Platte zu einer ziemlich ungenießbaren Angelegenheit für den aufgeklärten Musikhörer. Aber wer weiß, mit der Auflösung von Oasis ist auf der Insel ja jetzt eine ziemlich begehrte Stelle frei geworden.

40

Label: 4AD / Beggars / Indigo

Referenzen: Primal Scream, The Jesus & Mary Chain, Spacemen 3, My Bloody Valentine, Black Rebel Motorcycle Club, Oasis, The Verve, Kasabian

Links: Homepage, MySpace

VÖ: 11.09.2009

3 Kommentare zu “Rezension: The Big Pink – A Brief History Of Love”

  1. Pascal sagt:

    „Schüchtern zu Boden gestarrt wird hier nämlich nirgendwo, mit der obligatorisch angeklebten Sonnenbrille im Gesicht könnte man dort unten vermutlich eh nicht viel erkennen.“

    Herrliche Ausdrucksweise;)

  2. dominik sagt:

    also ihr macht mich jetzt schon ein bisschen fertig mit dieser bewertung. 40% ???
    ich finde das album halt mal richtig gut! „Velvet“, „Dominos“ und „Too Young To Love“ sind doch allesamt großartige songs!

  3. […] scheint zwar ein Interesse an Sounds jenseits der 08/15-Palette durch, doch schon The Big Pinks erstes Album war gerade dort am besten, wo es die wenig effektive Soundgalerie dem Pop-Affekt unterordnete. Wie […]

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