Labelspezial: Warp | Die Alben 2008-2009 (III)
Die Verkörperung des Aktuellen: Das Londoner Label Warp spürt Trends in der Popmusik auf und zieht reihenweise Qualitätskünstler an. AUFTOUREN arbeitet noch einmal die Releases der letzten beiden Jahre ab – hier findet ihr Teil 1, hier Teil 2.
Squarepusher | Just A Souvenir (2008)
Frauen lieben Männer, deren kindlicher Spieltrieb im Laufe der Lebensjahre noch nicht ganz verkümmert ist. Die ausprobieren, witzeln und für die Schalk und Schabernack keine Worte aus der Gruft der Vergangenheit sind. Frauen würden Tom Jenkinson alias Squarepusher vergöttern, wenn man sein musikalisches Output als Maßstab nimmt. Bereits seit zehn Alben hat er sich als erstaunlich resistent gegenüber dem Erwachsenwerden bewiesen, auch „Just A Souvenir“ macht vor stilistischen Brüchen kaum halt: Klassischer Rocksound, wilde Space-Odysseen und irrwitzige Drum&Bass-Rhythmen werden zu einem grellbunten Päckchen verschnürt, zu dem sich auch noch abwegiger Pornofunk, bröckelnde Elektronik und Jazzfragmente addieren. So dreist muss man erst einmal sein! Hören: myspace
Gang Gang Dance | Saint Dymphna (2008)
Cool wollen sie sein. Unberechenbar. Überlegen. Und es herrscht überhaupt kein Zweifel, dass die Visionen dieser Truppe keine Berechtigung haben. Schließlich kann nur jemand musikalische Weiterentwicklung betreiben, wenn die Gabe zum Verknüpfen, Intertextualisieren und Umdenken vorhanden ist. Von daher ist dieses Kuddelmuddel nur logisch und ein Versprechen auf die Zukunft, wenngleich erst einmal die vielen Reize verarbeitet werden wollen. In sechs Stücken vom magischen Surrealismus zum Grime, ohne die 80ies-Revival Station auszulassen kann anstrengend sein… [Ausführlichere Rezension hier]
Duncan Lloyd | Seeing Trouble (2008)
Maximo Parks-Gitarrist wandelt solo und verwöhnt sich mit sonnengetränktem Songwriting. Lässig darf es sein und möglichst nicht so angestrengt wie die Hauptband. Schließlich ist dieser Alleingang Urlaubsersatz, man gönnt sich ja sonst nix. Die 70er stehen Pate und das typisch Englische in der Gitarrenpopmusik: Der wippende, leicht akzentgebräunte Gesang, die Zwischen-Uhuuhs und das Unbeschwerte der Gitarrenklänge. Hinhörer sind dabei leider Mangelware und überhaupt ist die Platte so konventionell, dass sie bei Warp eigentlich aus dem Rahmen ragt. Hören: Warp
Nightmares On Wax | Thought So… (2008)
Ibiza, Electronica – böse Ahnungen schweben herauf. Aber dass Nightmares On Wax weit weg vom Sangria-Prolloeimer stehen, dürfte sich in den letzten fünfzehn Jahren bereits herumgesprochen haben. Die neue Heimat des Engländers ist nur eine Konsequenz seines Schaffens: Die möglichst reizarme, leichtgängige Mischung aus Funk, Elektro, Pop, Reggae, Soul und Sonne zu kreieren. Die Unbeschwertheit zum Freund zu machen. Blöd nur, dass diese Platte etwas innovations- und blutleer daherkommt. Aber irgendwer kauft ja auch Smoothies. Hören: myspace
Pivot | O Soundtrack My Heart (2008)
Krautrock in Cinemascope – kaum etwas könnte vom Grundsatz abwegiger klingen. Aber Pivot aus Australien schaffen es Gegensätze zu klammern wie kaum eine zweite Band. Mathrock, Improvisation, Soundschleifen – Wortlosigkeiten, die mit Spielwitz und Kontrasten spannend unterhalten. Elektronische Sprengsel aktualisieren ihre Tracks abermals, so dass man meint, die musikalische Entwicklung habe einen neuen Höhepunkt gefunden. Integrierend, verschachtelt und klug – grenzenlos zu musizieren, scheint hier ein Leichtes zu sein. [Ausführlichere Rezension hier]
Leila | Blood Looms & Blooms (2008)
Entdeckungen feiern – dafür ist Warp ja bekannt. Musikalisch ungewöhnliche Wege gehen – dafür natürlich auch. Nach achtjähriger Pause stellt Leila die Hörgewohnheiten auf eine Belastungsprobe. Hier will erst gar nicht zusammengeschmiedet werden, was nicht zusammen passt. Es ist eine absurde, fast surreale Reise durch Kleinkosmen. Urwüchsiges Kraut, schimmernde Weltraumwolken und organisch rankende Klänge, die mal uferlos groß, mal beschützenswert klein sind. Stimmen spielen Hauptrollen, ebenso Kollaborationen aller Art. Was dabei herauskommt ist ganz andere Musik. Hören: myspace