Jay ReatardWatch Me Fall

Auf den ersten Blick ist alles wie immer in den Reatardschen Umlaufbahnen. Auch wenn es sich bei der zweiten regulären Jay Reatard LP nach dem 2006er „Blood Visions“ offiziell nicht um eine weitere Singles Collection im Stile des letztjährigen Doppels „Singles 06-07“ und „Matador Singles 08“ handelt, könnte sie doch problemlos als solche durchgehen, denn „Watch Me Fall“ ist größtenteils nicht mehr und nicht weniger als ein Sammelsurium von Hits, die sich keinem Albumkontext zuordnen lassen .

Unabhängig davon hat sich soundtechnisch aber ein schleichender Wandel vollzogen. Von dem wilden, dreckigen, verzerrten Lo-Fi-Garage-Punk erster Tage mit den Reatards oder den Lost Sounds, der noch deutlich auf das oben erwähnte „Blood Visions“ abfärbte, ist abgesehen von Reatards auffälliger Stimme und dem Faible für punktgenaue, knackig-kurze Songs nicht mehr viel übrig. Dafür mischen sich jetzt hier und da – ja, man staune – Twee Pop Elemente unter den deutlich angewachsenen, raffinierten Soundteppich; sogar eine Mandoline hält sich auf dem 32-Minüter versteckt. Damit entfernt sich Jimmy Lee Lindsey alias Jay Reatard weitestgehend von dem aktuell angesagten Lo-Fi Trend um Bands wie Times New Viking, No Age oder Wavves und zeigt sich just zu diesem Zeitpunkt von seiner deutlich melodiöseren Seite.

Dabei steht dem inzwischen knapp 30-jährigen Herren aus Memphis und seinen beiden Mitstreitern Stephen Pope (Bass) und Billy Hayes (Drums) der neue Mantel insbesondere auf der ersten Hälfte von „Watch Me Fall“ erstaunlich gut. Der schwungvolle Opener „It Ain´t Gonna Save Me“ ist wohl exemplarisch für Reatards typischen Gegensatz zwischen freudigen Gitarren und verzweifelten Gedanken („All is lost there is no hope, all is lost you can´t go home“) zu sehen, auch die catchy 2min-Hymne „Before I Was Caught“ erweist sich als Punktlandung. Das kunstvolle Zusammenspiel von elektrischer und akustischer Gitarre prägt den nächsten Hit „Man Of Steel“, bevor das Werk wenig später mit dem reichlich Fahrt aufnehmenden „Faking It“ seinen klaren Peak erreicht. Paradoxerweise folgt auf diesen Höhepunkt das verzichtbare „I´m Watching You“, das zudem schon als Closer der „Matador Singles 08“ fungierte, jeglichen Pepp und Spielwitz vermissen lässt und eine zweite Hälfte einläutet, die doch deutlich wechselhafter daherkommt. Das sommerliche „Wounded“ oder das gewitzte „Hang Them All“ samt seiner quasi zweiteiligen Struktur verdeutlichen die beeindruckende Entwicklung Reatards, während das schleppende „Nothing Now“ oder das ein wenig plump klagende „There Is No Sun“ eher B-Seiten-Charakter aufweisen. Wo wir am Ende wieder bei den Singles wären…

73

Label: Matador

Referenzen: The Reatards, The Lost Sounds, The Final Solutions, The Replacements, No Age, The Pixies

Links: MySpace, Matador

VÖ: 14.08.2009

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