Das Bild einer Reise. Warum kommt kaum eine Besprechung von instrumentalen, ambienten Alben ohne diese Motivik aus? Die Antwort scheint nur allzu logisch: Weil wir Klänge immer raumbezüglich verorten. Weil unsere Gedanken und unser Erlebtes nicht als Abstraktum funktioniert, sondern eingebettet sind in Zeit und Raum. Und wenn dazu sphärische Elemente sanftes Gleiten suggerieren, dann füllt unser Hirn die neugewonnenen Freiräume mit allerlei Erfahrung auf. „Unendliche Weiten“, konkrete Erinnerungen.

IDM und Ambient sind zwei Genres, die diese Macht der Assoziation für sich nutzen und kanalisieren. Die Angebote unterbreiten, die der Hörer mit seiner eigenen Phantasie und seinen eigenen Erlebnissen vervollständigen muss. Bei jedem anders. Klänge treffen auf Widerstände. Musik wird geöffnet oder gefaltet. Verknappung, Strömung, farbiges Rauschen geraten in den Strudel der Verselbstständigung. Das Bild formt sich nur langsam im eigenen Kopf.

Ochre ist Christopher Leary aus Newcastle. Auf seinem neuen Album verbindet er Ambient mit Glitch und diverser Gebrauchsklassik aus dem Bausatz für Naives. Dass das Ergebnis dennoch weitgehend frei von Kitsch und allzu verklärender romantischer Überformung ist, darf als Kompliment verstanden werden. Gerade, weil es hier nie rasant, gar abwegig wird. Diese Wortlosigkeiten sind Harmlosigkeiten. Mit buntem Charme werden hier Beats getürmt und wieder umgeschmissen, eine gefällige Unruhe durchfließt manche Tracks, die anderen werden organisch umrankt. Mit Final Fantasy’schem Geigenpathos wie in „Napolese“, metertief in der eigenen Gefühlsduseligkeit versunken. Besser sind da schon die pulsierenden Tracks wie „Pteron“, die im Zickzackkurs die Assoziationen abschütteln, die in mühevoller Kleinarbeit noch kurz zuvor sich im Kopf materialisierten und nur einen Titel später in der Weltall-Ausformung „Lunar Suburbia“ aus der kurzzeitig versiegten Quelle weitersprudeln. Und das ist ein guter Moment, wenn man dabei bei bedrängender Hitze durch die lebende Innenstadt flaniert.

So ist das neue Ochre-Album auch Momentmusik. Eine, die in ihrer beruhigenden und überaus zugänglichen Struktur an manchen Tagen die Unbeschwertheit heraufbeschwört (Bibio schafft das mit viel mehr Indie/Folk auf einem ganz anderen, herausragenden Level), an anderen Tagen  abstoßend wirkt. Da wirkt die andere Seite von „Like Dust On The Balance“ als Knockout-Kriterium: Plötzlich geraten die Tracks zu halbgekonnten, esoterischen Peinlichkeiten. Komisches Ding, diese eigene Empfindung.

53

Label: Benbecula

Referenzen: Christ, Plaid, Isan, Lindstrøm, Kettel, New Age

Links: Homepage, Albumstream

VÖ: 20.07.2009

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum