<strong>Rückspiegel:</strong> TV On The Radio in Köln in der Live Music Hall (26.07.09)

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Was lange währt, wird endlich gut! Ganze drei Anläufe brauchten TV On The Radio schlussendlich, um den letztjährigen auftouren-Redaktions Liebling „Dear Science,“ in Köln endlich auch live zum Besten zu geben. Dabei waren sowohl das Konzert im November vergangenen Jahres als auch im März dieses Jahres in der Kulturkirche vorgesehen. Für den Location-Wechsel in die Live Music Hall hätte man den zahlenden Besuchern aber eigentlich ein paar Euro zurückgeben dürfen; so zumindest die zugegebenermaßen etwas voreingenommene, aber doch allseits verbreitete Meinung im Innenhof vor dem Eingang. Dabei, das sei an dieser Stelle schon einmal angemerkt, sollten sich Unmutsäußerungen dieser Art bei vielen  der Beteiligten – also mindestens der kompletten vorderen Hälfte der Halle – auf die Pre- und nicht die Postphase des Konzerts beschränken.

Unter angemessenem, aber nicht übertriebenem Beifall betritt die Band zu sechst und inklusive Saxophon-Attraktion Martin Perna, der sich vor dem etwas mehr im Hintergrund agierenden Dave Sitek in der ersten Reihe gleich neben dem sagenhaften Gesangs-Duo Tunde Adebimpe und Kyp Malone sichtlich wohlfühlt, die Bühne. Insbesondere letzterer ist ein direkter Blickfang: Mit stoischem Blick, für die vorherrschende Schwüle ungewöhnlich dick eingepackt und zudem ausgestattet mit dem, was man wohl Bart nennen darf, stimmt er in aller Seelenruhe seine Gitarre und genießt stillschweigend die interessierten Blicke; natürlich ohne sich das auch nur im Ansatz anmerken zu lassen.

2Durchaus klug ausgetüftelt, wie das erfahrene Sextett mit „Love Dog“ den ruhigsten Song des Hauptsets als Einstieg nutzt, um sich langsam heran zu tasten und dem Mann an den Reglern etwas Zeit für kleine Korrekturen zu verschaffen. Derweil lassen die von Beginn an bestens eingestellten, krachigen Drums bereits erahnen, was einen in den nächsten knapp 90 Minuten noch so alles erwartet. Über „The Wrong Way“ vom 2004er Werk „Desperate Youth, Blood Thirsty Babes“ führt der Weg zielstrebig zum „Dear Science,“-Trio „Halfway Home“, „Golden Age“ und „Crying“. Spätestens zu diesem Zeitpunk wird einem wieder deutlich, wie goddamn funky diese Truppe doch ist! Dabei gewinnt sie sorgsam diszipliniert selbst in komplexesten Strukturen Orientierung – und lässt die Songs dann doch mit beneidenswerter Spielfreude immer wieder aus sich selbst herausbrechen! Der Moment ist gekommen, in dem man sich entscheiden muss, weiter lässig auf einem Bein stehen zu bleiben und den Beat nur mit dem anderen zu imitieren oder in ein ausgelassen wippendes Hin und Her zu verfallen. Das anschließende „Wolf Like Me“ nimmt einem die Entscheidung ab.

Tunde Adebimpe ist jetzt nicht mehr zu halten, rennt und hüpft wild gestikulierend über die Bühne. An dieser Stelle entlädt sich erstmals die gesamte aufgestaute Energie, die Halle schwitzt. Selbst für Kyp Malone ist nun die Zeit gekommen, zumindest die Jacke auszuziehen. Erfreulicherweise verzichten die Herren darauf, das Tempo im weiteren Verlauf aus dem Spiel zu nehmen,  animieren die Zuschauer vielmehr zum Klatschen und spielen sich dabei voller Freude durch die Großtaten ihrer Diskographie. Der Groove in „Red Dress“, die Magie in „Young Liars“, der persönliche „Cookie Mountain“-Liebling „Blues From Down There“, der Break in „Shout Me Out“; der Band gelingt es jederzeit, im Vergleich zur Studioversion nochmals ordentlich draufzusatteln. Das mag zum einen sicherlich an dem unverkennbaren stimmlichen Wechselspiel seiner beiden Protagonisten liegen und erreicht nicht zuletzt durch den bestens aufgelegten Martin Perna am Saxophon einen deutlich voluminöseren und ekstatischeren Sound.

5Es sind zudem auch die kleinen Gesten, die verzücken, die verdeutlichen, wie eingespielt diese Band ist. So braucht Malone mitten im Song nicht mal wirklich seinen Finger für den lässigen Wink zu heben und Perna zu sich zum gemeinsamen Jammen zu bitten, es reicht der Ansatz, der eine darauffolgende Bewegung erahnen lässt; auch die Absprachen mit Sitek zeugen von immenser Vertrautheit und großem gegenseitigen Respekt. Und spätestens, wenn zum Ende hin mit „Dancing Choose“ und „DLZ“ auf einen erneuten Höhepunkt zugesteuert wird, geht der Blick zumindest in der vorderen Hälfte der Halle (einige Augenzeugen berichten später von etwas  unpräziserem Sound in der hinteren Hälfte, daher die Einschränkung!) rundherum in restlos begeisterte, ja, beinahe erschöpfte Gesichter. Nach tosendem Jubel kommt die Band noch einmal zurück, beginnt mit „Family Tree“ abermals melancholisch langsam, holt sich für „A Method“ die Rasselbande von White Circle Crime Club zur Unterstützung auf die Bühne und schließt das Zugabenset standesgemäß mit dem Über-Klassiker „Staring At The Sun“ ab. Durch unterschiedlichste, mal mehr und mal weniger gut riechende Schweißzonen drängen die Leute nach dem Verstummen der Instrumente nach draußen, an die frische Luft. Reiben sich verstört die Augen. Ein exzessiver Trip geht zu Ende, zahlreiche begeisternde Eindrücke bleiben.

Setlist:

Love Dog
The Wrong Way
Halfway Home
Golden Age
Crying
Wolf Like Me
Red Dress
Young Liars
Blues From Down There
Shout Me Out
Dancing Choose
DLZ

Family Tree
A Method
Staring At The Sun

Ein Kommentar zu “Rückspiegel: TV On The Radio in Köln in der Live Music Hall (26.07.09)”

  1. Sven sagt:

    Dickes „D’accord“ von mir! Hast ins Schwarze getroffen. :-)

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