Regina SpektorFar
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Referenzen:
Feist, Anna Ternheim, Fiona Apple, Tori Amos, Rufus Wainwright, Chris Garneau
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Autor: |
Bastian Heider |
Talent hat sie, ohne Zweifel. Klare, ausdrucksstarke Stimme und ein Klavierspiel, das zeigt wie lohnenswert eine klassische Ausbildung von klein auf doch manchmal sein kann. Trotzdem stellt sich beim Hören von „Far“, dem neuen Album Regina Spektors, einmal mehr die entscheidende Frage, wieviel bloßes Handwerk und Konservativismus Musik im allgemeinen verträgt und ob „gut“ und „gut gemacht“ nicht doch zwei völlig unterschiedliche paar Schuhe sind.
Wie zum Beispiel auch Leslie Feist und Anna Ternheim, die jetzt mal als die beiden Pole herhalten sollen, zwischen denen sich diese Platte über weite Strecken bewegt, gehört Regina Spektor zu denjenigen Songwriterinnen, denen das Kaputte früher Cat Power-Werke oder die eigenbrödlerische Weltabgewandtheit einer Joanna Newsom völlig abgeht und auf die sich gerade deswegen alle einigen können. Die einschlägigen Feuilletons und öffentlich rechtlichen Kulturmagazine freuen sich darüber, endlich mal wieder jemanden unter dreißig präsentieren zu können, die Kaffeehausketten bekommen Nachschub zur ein wenig aber nie zu melancholischen Beschallung ihrer Kundschaft an verregneten Sonntagen und schließlich ruft die Eingängigkeit der Songs ganz automatisch iPod-Werbespots und Majorlabels auf den Plan.
Gründe genug also, diese Platte zu verdammen und wer jetzt immer noch nach Brüchen sucht, muss leider auch enttäuscht werden, es gibt sie einfach nicht. Dennoch ist hier wieder einmal eine ganze Menge anders als es zunächst scheint. Nachdem nämlich die ersten beiden Lieder noch etwas zu sehr mit erwartbarem Kulleraugensound kokettieren (Anmerkung: zumindest der Opener „The Calculation“ stellt sich nach einigen weiteren Hördurchgängen doch noch als ziemlich charmanter Popsong heraus) und man das Album schon wieder aus dem Player nehmen möchte, folgt der erste Moment des Innehaltens. „Blue Lips“ präsentiert Frau Spektor in einer Tiefe, die sich auch mit einer noch so hohen Macchiato-Schaumkrone nicht so einfach überdecken ließe und man bemerkt zum ersten mal, dass Kunst hier offenbar doch nicht nur von Können kommt. Auch der Rest des Albums ist ein Wechselbad der Gedanken und Gefühle. Man möchte sich schütteln, denkt man an die all die Jack Johnson-Zombies, die „Far“ mit seinen gefälligen Momenten sicherlich anziehen wird, man könnte sich echauffieren über den biederen Beigeschmack, der sich einstellt wenn das Album kurz davor steht, in flache Gewässer oder gar Kitsch abzudriften, doch letztendlich hat Regina Spektor einfach immer wieder die besseren Argumente.
Da wäre zum Beispiel „Laughing With“, das mit „No one’s laughing at God in a hospital“, einer der klügsten Textzeilen des Jahres aufwartet und in seinem weise sparsamen Streichereinsatz auch sonst ganz und gar wunderbar geraten ist. Regina Spektor umgeht die Norah Jones-Werdung ein ums andere mal aufs Geschickteste und beweist dabei einen erstaunlichen Variantenreichtum, der an Referenzen von Jazz über Joni Mitchell, Kate Bush (man höre sich nur einmal „Dance Anthem Of The 80s“ an) bis zu Jeff Buckley und Rufus Wainwright reicht. Letztendlich ist es aber vielleicht auch einfach nur das gewisse Mehr an Seele, das sie von all ihren Konkurrentinnen absetzt. Spätestens jedoch, wenn im vorletzten Song „One More Time With Feeling“ ein bestimmtes „This is why we fight“ erklingt, sollte einem eins klar geworden sein: Man hört ihr gerne zu.
6.7 / 10
Label: Sire (Warner)
Referenzen: Feist, Anna Ternheim, Fiona Apple, Tori Amos, Rufus Wainwright, Chris Garneau
VÖ: 26.06.2009