Das Tape hat sich in der Hitze dieser Woche mal wieder unbemerkt aus dem momentan äußerst schwülen Büro gestohlen und versucht, schnellstmöglich die Stadtgrenze hinter sich zu lassen. Der Ausreiß-Versuch fand aber einige Stunden später in Aachen sein jähes Ende, als ein aufmerksamer Kritiker-Kollege  die Zugehörigkeit des einsamen Tapes erkannte und es bis zu unserem Eintreffen fürsorglich bei sich aufnahm. So freuen wir uns sehr, mit Harald Jakobs einen weiteren Gast in unserer Runde begrüßen zu dürfen, der einigen von Euch u.a. als Fleißbiene bei Plattentests, manch einem auch vom Hochschulradio Aachen bekannt sein dürfte. Et voilà:

Ein Tape, das auf Tour geht, sieht viele Länder, sieht aber wohl noch mehr Stile. Es nimmt sie in sich auf und macht sie sich zu eigen. Und trägt sie weiter hinaus in die Welt zu den anderen. Gnawa Njoum Experience legen vor. Jamaikanischer Reggae aus Marokko-Paris, an dem auch die Steps britischer Bassmusik nicht spurlos vorbeigegangen sind. Die beiden Briten Joker & Ginz inszenieren anschließend R’n’B so rauh und dreckig, wie er war, bevor amerikanische HipHopper ihn zu einem ausgeleierten Kaschmirpullover weichgespült haben. Durchgeknallte Sci-Fi-Synthies im besten Wonky-Style umschlingen mit hundert Armen einen träge dahinrollenden Dubstep-Monsterbass. Dazu möchte man spontan Sex mit der Bassbox haben. Wenn man davon wieder aufwacht, pustet einem das achtköpfige Hypnotic Brass Ensemble, das irgendwo in Queens an der Ecke steht, mit unglaublich groovendem Funk die Ohren frei. Das englische Duo Mount Kimbie frickelt derweil an seiner verträumten Electronica herum, die einfach alles aufnimmt und in einen Topf wirft, was auf dem Dachboden so rumlag. Und zum Abschluss gehen die Detroiter von DeepChord tief mit einem wahnsinnigen Dubtechno-Strahler, der vor den oft kopierten Berliner Dubtechno-Erfindern von Basic Channel respektvoll den Hut zieht. Kann man eigentlich nur an einem endlos langen Strand bei Sonnenaufgang genießen, wenn einen der Bass Richtung Wasser schiebt und das Meer rauscht und rauscht und rauscht.

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Gnawa Njoum Experience – Kami ni mantara

Joker & Ginz – Purple city

Hypnotic Brass Ensemble – War (Live at Jools Holland)

Mount Kimbie – William

DeepChord presents Echospace – Sunset

3 Kommentare zu “Tape auf Abwegen: Zu Gast: Harald Jakobs”

  1. Pascal sagt:

    Das Hypnotic Brass Ensemble bläst einen ja förmlich um;) Toller Flow.

  2. Harald sagt:

    Ein Kumpel von mir hat die, was ich zum Zeitpunkt der Tapezusammenstellung gar nicht wusste, letztes Jahr im Dezember in New York in der U-Bahn live gesehen. Das sind in der Tat eigenlich Straßenmusiker, die durch New York ziehen und überall, wo sie gerade Lust haben, live spielen. Da hat sie wohl auch Damon Albarn mal gesehen und sofort für sein Label Honest Jon’s unter Vertrag genommen. Sind sieben Brüder plus Drummer, allesamt Kinder eines Jazztrompeters, der auch mal bei Sun Ra gespielt hat. Der Mann hat übrigens insgesamt über 20 Kinder. Das hier sind nur die jüngsten sieben Söhne. ;-) Würde ich auch zu gerne mal sehen. Lohnt sich aber auch auf Platte. Gerade jetzt im Sommer. Gibt auch ein sehr schönes Feature der New York Times über die Jungs.

  3. Pascal sagt:

    Hat der ein Glück. Wenn ich in der U-Bahn sitze, umgeben mich immer diese Möchte-Gern-Musiker, von denen ich dann auch noch reihenweise böse Blicke ernte, weil die Gehaltsvorstellungen für ihre „Kling-Glöckchen“-Version anscheinend nicht mit meinen konform gehen.

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