Special: Little Boots – Hands | La Roux – La Roux
Wollen wir wetten? Nächstes Jahr um diese Zeit spricht niemand mehr von Little Boots oder La Roux. Vielleicht erscheint noch eine vierte Single als röchelndes, letztes Lebenszeichen. Danach werden sie ohne Generalüberholung und eine calmundgroße Portion Glück für immer in die Vergessenswüste der Popkultur abgeschoben. Was nämlich beide Projekte neben ihrer britischen Herkunft und stilistischen Parallelen eint, ist das Symptom „Zeitgeist“. Beide Alben sind jetzt genau hochaktuell und verkörpern in Reinkultur die Speerspitze des Klangbildes, das 2009 rückwirkend geprägt haben wird.
Obwohl im Untergrund spätestens seit Hot Chips Debüt die Aktualisierung des 80er-Jahre-Synthiepops als Wiederentdeckung gefeiert werden durfte, gerät der Transfer des typischen Pops aus dem klamottentechnisch abgefahrensten Jahrzehnt ins Heute erst mit Bands wie Lady Gaga oder eben nun La Roux und Little Boots in die Charts. Die Kulmulation des puren Pops, die Versammlung von diversen Klischees unter dem Brennglas, die Selbstdarstellung von reinen Oberflächen – Angriffsfläche bieten sie wie kaum ein anderes Phänomen.
Little Boots ist das Alias von Victoria Hesketh aus Liverpool und „Hands“ ihr Debüt, was sich an Vordergründigkeiten erfreut. Es geht um puren Eklektizismus und Diskofeierei, es wird mit großen Löffeln zugelangt und hemmungslos abgetanzt. Dass sowohl Kylie Minogue als auch Madonna ganz weit vorne als Songpatinnen stehen, ist dabei nur konsequent – in ihren Diskophasen waren beide schillernde Persönlichkeiten im Zwischenraum eigener Ideen und Produzententum. Mit Joe Goddard von Hot Chip nahm sie ihren formidablen Überhit „Meddle“ auf, ein pulsierender Strom konzentrierter Eingängigkeit – leider fast der einzige Song mit konsequentem Vorwärtsdrang. RedOne und Dr. Luke konzentrierten sich als Produzenten vorwiegend auf die noch leichtgängigeren Titel, denen sie mit den Kanten auch etwas Identität nehmen. Die Synthies bleepen, die Details sind überwiegend geschickt platziert und die anschmiegsame Stimme der Frontfrau schwächt die Gefährlichkeit der Elektropop-Songs zum Minimum ab. Musik, teilweise so gefährlich wie entkoffeinierter Milchkaffee. Dabei ist die tatsächliche Charttauglichkeit und Professionalität das große Pfund – zwischen Human League, Soft Cell und Roisin Murphy kreiert Little Boots eine kunterbunte Welt aus Sorglosigkeiten. „You’re The Night To My Day, And The Left To My Right“, singt sie in „Perfect Symmetry“ und gibt diesem Song freiwillig das Prädikat der charmanten Nichtigkeit.
Ebenso wie bei Little Boots sind auch bei La Roux die Singles klar die stärksten Momente, die bisweilen herrlich unterhalten und im Albumkontext noch stärker strahlen als im Mainstream des Jugendformatradios – weil sie eben überragen und den Rest zur puren Gefälligkeit degradieren. Nehmen wir als Beispiel die Refrain-Schleife „Bulletproof“ mit ihren käsigen Synthies und ruhelosen Vocals, die eine Klasse für sich in Mitsingtauglichkeit und Sofortzündung darstellt und sogar das ebenso unverschämt eingängige „In For The Kill“ in der 1. Runde K.O. schlägt. Ein prächtiger Rausch – Pop funktioniert eben am besten augenblicklich. Hier geht es nicht um Langzeitwirkungen und vielschichtige Texte, denn Eigensinn und Charakter schreiben keine Monsterhits.
Die Beats sind bei La Roux ungleich basslastiger und schärfer, der Gesang dringlicher. Wo Little Boots auf die naive Kindlichkeit der Stimmfärbung setzt, forciert die vier Jahre jüngere Elly Jackson unterschiedlichere Emotionalitätsstufen, wobei der enge Rahmen des instrumentalen Untersatzes recht limitierend wirkt. Die Girl-meets-Boy-Texte tragen dazu auch nicht bei, da muss schon das schwere Geschütz der Quotenballaden aufgefahren werden. Insgesamt wirkt die Stimme durchaus divenhafter und eigenwilliger als die ihrer musikalischen Mitstreiterin. Aber was sie in diesem Punkt wettmacht, wird von der extrem schwachen zweiten Hälfte ihres Albums wieder eingerissen. Dort fällt „La Roux“ wieder hinter „Hands“ zurück, das zwar ebenso abseits der Singles kaum Relevanz atmet, aber trotz runden Beats und einer flauschigen Grundatmosphäre nicht ganz so gleichbleibend ideenlos einlullt. Für ein paar exzellente Singles und funkelnde Momente sind beide Alben Kurzweil genug und ein willkommen sommerlicher Widerpart zur Schwergängigkeit. Für den Rest gilt: Ex und Pop.
Labels: 679 Recordings (Warner) | Polydor (Universal)
5.3 / 10
4.7 / 10
Referenzen: Frankmusik, Human League, Ladyhawke, Soft Cell, Lady Gaga, Kylie Minogue, Empire Of The Sun, Annie
Links: Little Boots: Official, MySpace | La Roux: Official, MySpace
VÖ: 26.06.2009
zoot woman und ladytron haben wenigstens versucht dem 80er sound noch eine eigene note geben, aber la roux ist echt so eine unsympathische plastik-version davon..ach einfach nur schlimm!
Ja, sehe ich ganz genauso, Rinko. Fürchterliche Musik, die La Roux ist mit ganz viel gutem Willen vielleicht ne 2.0
„calmundgroße Portion Glück“ ist natürlich super geschrieben. Wieder einer dieser Ausdrücke, auf die ich selbst gern gekommen wäre.
Hehe, klingt ja fast so, als könnte es mir gefallen.
Nein, Bastian. Um Himmels Willen! Bleib bitte bei Lykke Li oder Metric, wenn Du Popsongs hören willst, die verstehen wenigstens ihr Handwerk;)
die singles sind doch gute popsongs. hmm. hatte mich eigentlich auf diese platten sehr gefreut, die rezi trübt die vorfreude ein wenig…
klingt spanned, muss ich gleich mal reinhören, ob es poppt oder rockt? :-)
[…] Direktheit ihrer Euphorie kaum zu vermitteln. Dass u.a. die Damen Boots und Roux – mit gemischtem Erfolg – letztes Jahr mitunter ähnliches Popterrain bearbeiteten, hat das wandlungsfähige Duo […]