schottland

Schottland, allen voran Glasgow, ist ja sozusagen die Geburtstätte des Indiepop, na gut, vielleicht nicht ganz alleine. Fakt ist jedenfalls, das seit den frühen 80er Jahren, als Bands wie Orange Juice und Josef K den Soul zum Postpunk brachten, in der Regel jede Menge passiert zwischen Löchern und Highlands.

Ob The Jesus & Mary Chain, Primal Scream und The Vaselines in den 80ern oder Teenage Fanclub, Belle & Sebastian und Mogwai in den 90ern, die schottische Independent-Musikszene war stets weit über die Landesgrenzen hinaus tonangebend und besitzt heutzutage eine einzigartige Tradition, auf die sich selbst Überflieger wie Franz Ferdinand immer noch berufen. Über so einen langen Zeitraum fallen musikalische Vielfalt und Disparitäten selbstverständlich unglaublich groß aus, dennoch sind es  neben dem oft benutzten Wörtchen Twee und dem berühmt berüchtigten Akzent auch eine gewisse Art von Melancholie, (oftmals schwarzem) Humor und Sophistication, die man charakteristisch mit schottischer Musik verbindet.

ghtgEiner, den man wohl den wenigsten Lesern dieser Seite noch vorstellen muss, ist Stuart Murdoch, dessen Band Belle & Sebastian seit Mitte der 90er so etwas wie der Inbegriff für geschmackvollen und geschichtsbewussten Tweepop ist, die auf eine nahezu perfekte Diskographie ohne auch nur ein ansatzweise schlechtes Album zurückblicken kann. „God Help The Girl“ nun ist sein schon seit Ewigkeiten gehegter Traum vom eigenen Musicalfilm beziehungsweise erst einmal die musikalische Umsetzung desselbigen. Und für diese wurden auch wirklich keine Kosten und Mühen gescheut, das Album wurde mit einem 45köpfigen Orchester eingespielt, die zahlreichen Sängerinnen und Sänger wurden für ihre Parts eigens gecastet. Das Ergebnis strahlt in breitem Technicolor, weiß um seine Vorbilder, 60s-Pop, Girlgroups, Northern Soul, das übliche eben, und könnte so, vielleicht etwas weniger opulent, auch problemlos von Belle & Sebastian stammen, zumal mit „Act Of Apostle“ und „Funny Little Frog“ auch zwei Songs von deren letztem Album vertreten sind. Allein diese Tatsache könnte jetzt eigentlich schon locker als Qualitätssiegel herhalten und die Platte damit durchgewunken werden, aber irgendwo dort liegt leider auch das Dilmena dieses Projekts, das der von Divine Comedys Neil Hannon gesungene Songtitel „Perfection As A Hipster“ vielleicht am besten ausdrückt. Die auch schon bei seiner Hauptband deutlich zu erkennende Tendenz zur zunehmenden Perfektionierung von Murdochs musikalischen Visionen erreicht mit „God Help The Girl“ einen neuen Höhepunkt und übersteigt diesen zugleich. So wunderschön eingesungen die verschiedenen Rollen hier auch sein mögen, so ideal austariert die Arrangements, zu berühren, wie im Ausnahmefall des reduzierten und hier wirklich hervorragenden „I Just Want Your Jeans“, vermag diese Musik nur noch selten. Und zurück bleiben lediglich überhohe in Manierismus erstarrte Ambitionen, die man Stuart Murdoch zum nächsten Belle & Sebastian-Album schleunigst wieder austreiben sollte. Etwas Urlaub, ein Spaziergang oder auch nur eine kalte Dusche können da manchmal angeblich Wunder bewirken.

5.7 / 10

Label: Rough Trade (Indigo)

Links: Homepage, MySpace

VÖ: 19.06.2009

mmZu hohe Ambitionen kann man Malcolm Middleton nun wirklich nicht vorwerfen. Eher ist und war er auch als eine Hälfte der leider aufgelösten Arab Strap schon immer ein Meister des übertriebenen Understatements und humorvoll verpackten Selbstmitleids. „Waxing Gibbous“, sein je nach Zählweise viertes oder fünftes Soloalbum, soll nun erstmal sein letztes unter eigenem Namen sein, da es, laut Eigenaussage seiner Homepage, mal wieder nicht so richtig gut gelungen ist und er auch sonst nicht gerade viel Spaß an den Aufnahmen hatte. Zumindest ersteres ist natürlich eingemachter Blödsinn, wo Malcolm Middleton draufsteht ist nämlich auch Malcolm Middleton drin und der versteht es wie kein anderer, seine Selbstzweifel und Depressionen in sarkastische Texte und diese schließlich in euphorische Mitsingmelodien zu verpacken, die hier des öfteren von Gastvocals, allen voran Mitstreiterin Jenny Reeve, wunderbar begleitet werden. Besonders gut gelungen sind gleich die ersten beiden Stücke „Red Travellin’ Socks“ und „Kiss At The Station“, die das Album mit beinahe übermütiger Indierockenergie eröffnen. Demgegenüber stehen akustische Lieder wie das darauffolgende „Carry Me“ (in dem Middleton seine Hörer mit in schottischem Kauderwelsch vorgetragenenem Sprechgesang fordert),  die den Zwist zwischen „uplifting“ Popsongs und selbstmitleidiger Tresenlyrik, die das Spannungsfeld seiner Musik auszeichnen, nicht immer so ganz rüberbringen wollen. Dann schon lieber „Don’t Want To Sleep Tonight“, das sich zwar auch betont schläfrig gibt, aber mit einem simpel geklampften Lagerfeuerrefrain und den  pessimistischen Textzeilen „Everything I do is redundant, everything I say is a lie“ überzeugt. Beeindruckend, wie der Mann es immer wieder versteht, sich und seine Kunst zu relativieren. Als etwas versöhnlicheren Abschluss kann man dem eigentlich nur noch „Shadows“ entgegensetzen, das nicht nur den gelungensten Badly Drawn Boy-Song seit – ja, wie lange ist das eigentlich schon her – darstellt, sondern auch noch das Geheimnis dieser Platte wunderschön auf den Punkt bringt: „We’re all beautiful but we’re covered in shadows.“

7.3 / 10

Label: Full Time Hobby / Rough Trade

Links: Homepage, MySpace

VÖ: 12.06.2009

Ein Kommentar zu “Reviews: Kilt-Pop: Schottland Spezial (Teil 1)”

  1. Tom sagt:

    Oh, schönes Land für eine Serie! Fand auch, dass in letzter Zeit fantastische Musik aus Schottland kommt!

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum