Die allgemeine Begeisterung für den ethno-inspirierten Indierock scheint die logische Schlussfolgerung einer Post-Folk-Generation zu sein, die durch ein großes Interesse an hippiesker Ästhetik geprägt ist.

Mit diesem Kapitel wird die letzte Domäne vom Klischee des „Suburbian White Kid“ aufgebrochen  und zur Neuinterpretation freigegeben. Die Dirty Projectors liefern mit ihrem dritten Album das Update zum Konsenssound der Stunde. Der Albumtitel – laut David Longstreth eine Referenz an das deutsche Wort „Bitte“ – scheint programmatisch, ist doch der gesamte Klang der Platte in all seiner extrovertierten Helligkeit eine einzige Einladung.

Die schmutzigen Projektoren laufen also auf Hochtouren und denken Stile zusammen, die auf den ersten Blick nicht konträrer scheinen könnten. Bei genauerer Betrachtung wird allerdings schnell deutlich, dass die traditionelle Musik des schwarzen Kontinents und der zeitgenössische amerikanische Folk wunderbar harmonieren. Um die musikalischen Antagonismen aufzulösen werden die Gitarren einfach wie eine Kora gespielt, einem tradierten Zupfinstrument der Afrikaner. Es tröpfeln glasklare Gitarren-Pickings über gebrochen, wackelige Rhythmus-Figuren, zu denen Longstreth in waghalsig hohe Oktaven vordringt, ohne auch nur eine Sekunde den Soul aus den Augen zu verlieren.

Auf die ersten Sekunden des Titelsongs, getragen von einem stoischem Drumcomputer-Loop, könnte man sich ebenso den Sprechgesang eines Kanye West vorstellen. Doch bevor man diesen Gedankengang vollenden kann, bricht auch schon wieder alles in sich zusammen und Longstreth wiederholt im flehenden Tonfall  das dadaistische Mantra „Bitte, Orca, Orca, Bitte!“. Auch der nachfolgende Song „No Intention“ ist aus dem rhythmischen Repertoire der modernen, schwarzen Musik gespeist und baut zusätzlich noch Chor-ähnliche Backing-Vocals ein.

Die Dirty Projectors gehen über das bloße Zitat hinaus und platzieren ihren bunten Eklektizismus direkt am Puls der Zeit, ohne auch nur einen verstohlenen Blick auf das Blatt des Tischnachbarn zu werfen. Dementprechend unbeeindruckt von der aktuellen Lo-Fi-Welle ist das Album sauber ausproduziert, Gitarren, Streicher und Stimmen kommen zu ihrer vollen Entfaltung.

87

Label: Domino

Spieldauer: 41:08

Referenzen:Yeasayer, CocoRosie, Group Inerane, Devendra Banhart, Grizzly Bear, Animal Collective, Highlife, Vampire Weekend

Links: Myspace

Vö: 09.06.2009

12 Kommentare zu “Review: Dirty Projectors – Bitte Orca”

  1. huhu sagt:

    „Grizzley Bear“ ^^

  2. Pascal sagt:

    @huhu: Gut aufgepasst;) Danke.

  3. Philip sagt:

    hehe, ich wollte es auch grad ändern, aber da wohl wer schneller

  4. Ann-Kathrin sagt:

    Der Bewertung kann ich nur zustimmen, aber „Update zum Konsenssound der Stunde“, nicht so sehr.

  5. Pascal sagt:

    Jetzt bin ich ja mal auf Philips Reaktion gespannt;)

    By the way: Tolle Rezi!

  6. philip sagt:

    dazu müsste sich die dame schon etwas konkreter äußern :)

  7. Ann-Kathrin sagt:

    Konsenssound = Brooklynsound?

  8. philip sagt:

    jein, darauf bezog sich das nicht unbedingt, auch wenn der „sound“ von dem ich spreche natürlich sehr brooklyn dominiert ist. ich meinte eher dieses new-wierd-america-ding als ganzes, auf das sich im moment alle einigen können

  9. Bastian sagt:

    ich kann mich nur auf die Platte hier einigen.

  10. […] einer Handvoll Musiker. Eine wilde Mischung aus entschlossenem Afropop-Punk, Weird Folk Marke Dirty Projectors und schmissigem R’n’B macht “w h o k i l l” zu einem begeisternden Album. Das mit […]

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