Vuk
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Referenzen:
Wildbirds & Peacedrums, Hanne Hukkelberg, Björk, Joanna Newsom, KTU, King Crimson, Paavoharju
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Autor: |
Markus Wiludda |
Manchmal, wenn man das große Ganze gar nicht passend beschreiben kann, weil dann sowohl Übersichtsprägnanz als auch Randschärfe fehlen würden, hilft eine ausgiebige Detailanalyse.
Bei Vuks Song „The Arms Of Spirit“ summieren sich da zunächst freundlich grummelnde Drums, Handclaps, eine Retro-Orgel, ätherischer Flaum und organische Ranken. Dann setzt der Gesang von Emily Cheeger ein (sang auch mal Background bei den Dirty Projectors), der kraftvoll doch auf einer ganz eigenen Art von einer subtilen Unsicherheit befallen zu sein scheint. Das Portrait einer spannungsgeladenen Unruhe wird gezeichnet, durchdrungen von einer weltfremden Nostalgie. Und immer dann, wenn man glaubt, dass jetzt ein Killer-Refrain folgen müsste, nimmt sich der Song zurück und es folgt eine gar bedrohliche Bridge. Fahnenflüchtige Trompeten setzen ein, eine Kirchenorgel und spätestens ab diesem Moment zerfleddert der Song, bricht ins Dissonante, lässt Chöre destruktiv wirken und fliegt mit ausgebreiteten Armen ins dämonische Jenseits.
Das finnisch-amerikanische Projekt Vuk weiß mit Vielseitigkeit zu überzeugen. Aufgrund seiner Fragilität und Verletzlichkeit oft schützend mit Krautzeugs und Geäst umrankt, erwarten uns Songs voll Intensität, Strahlkraft und höchstem Eigenwert. Mit PJ Harvey, Joanna Newsom, Wildbirds & Peacedrums und Hanne Hukkelberg sind einige Referenzpunkte umrissen, die organische Wirkweise und die Vielfältigkeit in Instrumentarium und Ausdruck erscheinen aber hier als besondere Stärke. Kaum ein (Jazz-)Instrument wird ausgelassen, Field Recordings und sanfte Elektronik komplettieren diesen reichhaltigen Reigen – die Auflistung aller Instrumente wird an dieser Stelle galant ausgelassen, um der Romanform zu entgehen.
Die neun Songs ihres Debüts „The Plains“ sind höchst assoziativ. Kristallklare Gebirgsbäche tasten sich gurgelnd und verspielt ins Tal. Lichtstrahlen brechen irisierend auf seiner Oberfläche und scheinen funkensprühend und tänzelnd kleine Blattschiffchen des Weges zu geleiten, das Kinder behutsam weiter oben ausgesetzt haben. Jeder Song hat dabei seinen eigenen Charakter. Mal wird wie beim eingängigen „Gramophone & Periscope“ mit Akkordeon und Zwiegesang auf Pfaden alter Folkweisen gewandelt, um nur einen Track später schon mit vertracktem Drumming und naturbelassenem Gezeter ein Loblied auf die Freiheit anzustimmen. Gleichzeitig herrlich entrückt und übermannt von eigenwilligem, verlorenem Charme. Es klickert und rasselt hier überall, greift mit kühlen Brisen das Duell mit der Schattenwelt auf, sprudelt und gurgelt in immer neuen, unbekannten Richtungen. Diese eigenwilligen Kompositionen sperren sich mit der gegebenen Kraft vor Schubladisierungen und hacken Konventionen notfalls ein Bein ab, damit das Ungleichgewicht wieder hergestellt ist.
Textlich ist dieser Entwurf nicht immer überzeugend oder nachvollziehbar, aber der Hörer hat jederzeit sowieso genug damit zu tun, den Irrungen und Wirrungen der musikalischen Auswüchse hinterherzuhechten. Aufgescheucht rennt beispielsweise auch „Kiss The Assassin“ umher und verbreitet Angst und Schrecken wie eine Lepra-Pandemie. Abgründe tun sich auf, Instrumente schreien, weil Vuk mit Hingabe Löcher in deren Hinterköpfe schlagen. Bisweilen tut das weh, ist hemmungslos störrisch und dann grinst diese entstellte Fratze von Song auch noch zu obskuren Apfelbaum-Lyrics. Dies als „befremdlich“ zu deklarieren wäre ein unangebrachter Euphemismus.
Über weite Strecken ist dieser Wildwuchs zwischen Avantgarde, Freak Folk, Free Jazz, Pop und Alternative, zwischen Schiffer-Shanties und karibischem Taumel, zwischen anbiedernder Lieblichkeit und störrischem Gefranse aber eine wahre Wonne. Hier sind so viele falsche Fährten ausgelegt, dass man die Zigbödigkeit schon einmal übersehen kann. Die Melodien von Wasser, Wald und Land finden ihr Sprachrohr auf „The Plains“. Vuk dolmetschen nur und reichern das Gemisch mit ureigen menschlichen Erfahrungen an, so dass man hier vielleicht mehr entdeckt als einem lieb ist.
Label: Johanna
Spieldauer: 39:53 Min
Referenzen: Wildbirds & Peacedrums, Hanne Hukkelberg, Björk, Joanna Newsom, KTU, King Crimson, Paavoharju
Links: MySpace
VÖ: April (Finnland)
ganz tolle Rezension, nur ist The Plains nicht das Debut, sondern Exile! und Gramophone & Periscope ist ein Hit!!!