City CenterCity Center
Die städtebauliche Vision von Raumplanern und Stadtentwicklern sieht aufgeräumt aus: Großflächige Fensterverglasungen, klare Formstrukturen, gefasste Grünanlagen samt einer Bewohnerschaft, die bestenfalls ein singapurisches Verhalten an den Tag legt. Auf deren Bauplänen wirkt eine Stadt wie eine Utopie, wie ein herausgeputzter Traum ohne Kontakt zur Realität.
City Centers Entwurf lässt dafür keinen Spielraum. Sie steigen hinab ins die Unterwelt aus maroden Pfeilern, unheimlichen U-Bahnschächten und verzweigter Kanalisation. Sie bewegen sich auf der Kehrseite der schillernden Geschäftswelt in urbanen Ruinen und düsteren Katakomben. Es ist die Ästhetik des Verfalls, die scheinbar magnetisch auf diese New Yorker Truppe wirkt. Unbehagen macht sich breit, denn die vom überirdischen Treiben widerhallenden Stimmen brechen sich in den höhlenartigen Ausbuchtungen, Geräusche verschwimmen und werden eins mit der verschrobenen Musik.
Der Ansatz ist nicht neu – erinnern viele Tracks doch an die frühen Animal Collective, die mit identischen Zutaten hantieren. Mit kruden Loops, übereinander gelagerten Strukturen, verhallten Stimmen, zerschossener Elektronik und berauschten Akustikinstrumenten. Doch vorwürflich zu werden, wäre zu vermessen, denn hinter dem Duo-Projekt City Center steckt Fred Thomas, der seit 1997 bereits im Massenpack Alben unterschiedlicher Klangfarbe veröffentlicht hat und am häufigsten als Frontmann von Saturday Looks Good To Me medial in Erscheinung trat. Das Festlegen fällt ihm schwer und so wandeln seine unzähligen Projekte zwischen psychedelischem Kraut und begradigtem Gitarrenpop – kein Wunder, dass City Center eine neue Facette in sein Schaffen implementieren.
Der Popmelodie bleibt er jedoch treu, so dass sich auch auf „City Center“ unter den Dellen und zerschelltem Material davon einige entdecken lassen. Nur hat es der Hörer ungleich schwerer als früher. Bei „Young Diamond“ überlagert eine Krachkaskade das zarte Pflänzchen Melodie und lädt den Schutt eines alten Kaufhauses auf ihr ab. Entsprechend wenig bleibt von ihr übrig. Entschädigt wird man aber dennoch – spätestens bei der folgenden Akustikgitarrenminiatur, die lediglich mit fahler Geräuschtristesse unterlegt ist. Alles bleibt schemenhaft und entrückt. Es ist Musik, die sich nicht festlegen will und bewusst den Weg der Uneindeutigkeit wählt. Der Hörer taumelt mit ihr durch Andeutungen, kommt an Traumschleifen vergessener Erinnerung vorbei und sagt nächtlicher Poesie guten Tag. „Gladest“ ergießt sich in schwimmenden Geräuschen mit lieblichen Gitarren und innerlich gebrochener Stimme, bevor aus dem Nebenraum bedrohliche Flächen die Fluchtwege versperren. Dazu gibt es klackernde Glocken aus den offenen Hinterköpfen der Laptops, später rastlose Nebelschwaden, die in den neu geschaffenen Räumen umherwabern. Einer der Höhepunkte „Bleed Blood“ verbindet die Verehrung für Brian Wilson-Vocals mit der kleinteiligen Motiventwicklung, wie wir sie von den desolaten Momenten des Animal Collectives kennen. Mit geräderten Details aufgepumpt und doch immer eher intim und verhuscht als aufdringlich.
Entsprechend wird ein kurzes Vorbeihorchen „City Center“ nicht gerecht, denn City Center lässt den Klängen ebenso viel Freiraum wie dem Zuhörer: Nur wenige Stücke sind programmatisch. Jeder darf interpretieren, erkennen und verwerfen. Auch die ambienten, vollends verhallten Parts entschleunigen, um den Kontrast zu den rauschenden, bedrohlichen Momenten hoch zu halten. Es sind urbane Skizzen, die nichts beschönigen, aber dennoch den Schönklang im Dunklen suchen.
8.0 / 10
Label: Type
Referenzen:Animal Collective, Panda Bear, Ariel Pink’s Haunted Graffiti, Grouper, Avey Tare, Atlas Sounds, Liars
ja, ja. die architekten. hab das selbst mal studiert.