01Wie schon beim letztjährigen „Punk Spektakel“ um Mika Miko, Abe Vigoda und den Lovvers zu beobachten, nehmen die Künstler das „Quasi-Nichtvorhandensein“ einer wirklichen Bühne im Tsunami dankbar entgegen und erfreuen sich an der Nähe des Publikums. Auch Titus Andronicus lösen das logistische Problem des eher spärlich vorhandenen Platzes mit Bravour und quetschen sich zu fünft auf die „Holzpalette“. Während manch einer an dieser Stelle schon mit seiner Klaustrophobie zu kämpfen hätte, verraten die Gesichtsausdrücke der Bandmitglieder eher ausgeprägte Glückseligkeit; kein Wunder, die 0,5l-Kannen sind ja längst auf der Bühne platziert. Überhaupt stehen dem Tsunami Bier- und Bar-Bands irgendwie gut. Und hey, wer sollte dann – The Hold Steady mal ausgenommen – besser in diesen Club passen als Titus Andronicus?

03So wird glücklicherweise auch kein Wert auf zimperliche Begrüßungen gelegt, sondern wie es sich für eine dreckige Rockband nun mal gehört, von vornherein mächtig Dampf unter dem Kessel gemacht. Der bärtige und – kaum zu glauben – erst 23-jährige Patrick Stickles an Mikrofon und Gitarre ist natürlich von Beginn an der Blickfänger, krümmt und verbiegt sich, während er gleichzeitig ins Mikro brüllt und dabei auch hin und wieder leicht von der von Platte bekannten Melodieführung abweicht. Außerdem  an dieser Stelle erwähnt werden soll der am Schlagzeug sehr passioniert zu Werke gehende Eric  Harm. In gut einer Stunde bekommt der Besucher alles, was er braucht. Eigene Songs wie „Titus Andronicus“, „My Time Outside The Womb“ oder der Zweiteiler „No Future“ reißen den Zuschauer in den Bann, aber auch das grandiose Sleeper Bags-Cover „Waking Up Drunk“, bei dem sich Stickles nur noch krampfhaft an seine Flasche krallt, während seine Adern vor lauter emotionaler Wucht an seinem Körper hervorquellen, sodass man Angst haben muss, just in diesem Moment seine letzten Zeilen zu hören.

05Die Band harmoniert über die gesamte Spielzeit außerordentlich gut, die Musiker wirken eingespielt und erstaunlich motiviert, kommen gleichzeitig aber auch mit dem erhofften Grad an „Abgefucktheit“ daher. Die knapp 50 Zuschauer haben sie längst auf ihre Seite, die Begeisterung steigt beinahe linear an. Als Titus Andronicus sich dann nach gut einer Stunde von den Fans verabschieden wollen, diese aber artig und frenetisch eine Zugabe fordern, steht einem das Beste erst noch bevor. Das Modern Lovers Cover „Roadrunner“ ist an diesem Abend nicht nur klarer Höhepunkt eines eh schon fantastischen Sets, sondern eine dieser Zugaben, die man so schnell nicht vergessen wird. Ein vor dem Song schon sichtlich gezeichneter und erschöpfter Patrick Stickles rennt in die erste Reihe, wirft sich auf den Boden, schmeißt während des Songs und infolge einer Rolle vorwärts die Monitorbox von ihrem Sockel, rast zurück, kniet sich in Zack de la Rocha-Manier auf den Boden, schreit immer wieder ins Mikro, setzt die Flasche rechtwinklig zum Mund an, springt wieder auf und ab, erkämpft sich eine Schneise inmitten der Zuschauer und sprintet dann, während die restlichen Bandmitglieder noch die letzten Klänge aus ihren Instrumenten rausholen, auf direktem Wege zur Bar. Wow! „Escapism through alcohol“, wie er authentischer kaum denkbar wäre.

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2 Kommentare zu “Live Review: Titus Andronicus in Köln im Tsunami (09.03.09)”

  1. dominik sagt:

    boah da wäre ich auch zu gerne dabei gewesen!
    hört sich nach ziemlich viel spass an… ;)

  2. Pascal sagt:

    @dominik: Ja, hat sogar eine ganze Menge Spaß gemacht, solltest Du Dir beim nächsten Mal nicht entgehen lassen;)

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