Das, was gewöhnlich der November für sich gepachtet zu haben schien, macht sich nun zum Bedauern eines jeden auch der März zu eigen: 3 Grad Celsius und Regenwetter bis zum Abwinken, vom Frühling nicht die geringste Spur, von einem herrlich verschneiten Winter sind die meisten aber auch ein gutes Stück entfernt. Wir versuchen, das Beste daraus zu machen und nutzen das Wetter als Aufhänger, um Euch zwei Platten ans Herz zu legen, die in ihrer Grundstimmung verschiedener bald gar nicht sein könnten. Ihr dürft nun frei wählen: Düstere Winterdepression oder heitere Frühlingsträume – Ihr werdet in beiden Fällen reichhaltig belohnt…

scary-mansionDa wäre zum einen das herausragende Debüt von Scary Mansion. Die hinter dem Projekt stehende Leah Hayes, passenderweise früher in einer Band namens Satan´s Fingers unterwegs, stellt schon mit den ersten Tönen klar,  dass es hier nichts zu lachen gibt. Voller Beklemmung sucht sie sich ihren Weg durch das zerbrechliche „Sharkish Sea“ und legt den Finger allein mit ihrer Stimme immer wieder auf die nicht heilen wollenden Wunden. Dabei kann sie die Rolle einer smarten Anna Ternheim genauso gut verkörpern wie die der unberechenbaren Scout Niblett, deren Stimme zu tiefdunklen Klängen vor lauter Zorn beinahe wegzubrechen droht („Captain“). Mit tatkräftiger Unterstützung von Ben Shapiro an den Drums und Bradley Banks am Bass ist der gut mit Kyp Malone (TV On The Radio) befreundeten Leah Hayes ein Werk gelungen, das stets zwischen Wut und Trauer hin und her pendelt und dabei deutlich innovativer und vor allem abwechslungsreicher, ja, fast schwankender daherkommt als so manch andere ihrer Artverwandten. Das muss auch der kreativen Schaltzentrale von Talitres aufgefallen sein, die das ursprünglich vor wenigen Monaten auf Zum Records veröffentlichte Debüt „Every Joke Is Half The Truth“ nun am 27.03. einer deutlich breiteren Masse zugänglich machen wollen. Aber Vorsicht! Wer so ein vordergründig liebevolles, flüsterndes  „Go to hell“ über seine seichten Lippen bringt als sei es ein zärtlicher Abschiedsgruß, dem sollte nur ganz vorsichtig die Hand entgegengestreckt werden.

Reinhören: MySpace

Aktuelles Album: Every Joke Is Half The Truth (Vö: 27.03.2009, Talitres)

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boozoo

Ganz andere Assoziationen weckt das Nürnberger DJ- und Produzenten-Duo Boozoo Bajou mit ihrem neuen Longplayer. „Grains“ ist Musik für den Balkon. Südseite versteht sich. Die Nadel fällt in die erste Rille. Während noch in aller Seelenruhe die Hängematte zurecht gemacht wird, steigen einem schon frische Frühlingsdüfte in die Nase („Flickers“), irgendwo in der Ferne mäht einer den Rasen. Der Nachbar pfeift im Garten sitzend bestens gelaunt vor sich hin, vor ihm glüht schon die Holzkohle, deren Geruch langsam aber sicher auch zum Balkon emporsteigt. Der nächste Track beginnt. Das leise Summen einer Hummel umgibt einen („Sign“); kein Grund zur Sorge, die stechen ja nicht. Die Augen werden wieder geschlossen. Auch der Wind trägt seinen Teil zu der durchweg entspannten Atmosphäre bei und schickt hin und wieder eine sanfte Brise vorbei („Kinder ohne Strom“). Der Übergang in die Traumwelt verläuft fließend. Soweit das Auge reicht nur noch Wüste („Tonschraube“), die Sonne scheint einem auf den Pelz. Kurzzeitig dann ein Dorf, freudige Kutscher ziehen durch die Straßen („Fuersattel“), wenig später ein Club, aus dem schon mittags smoothe Laid-Back-Töne zu hören sind. Überhaupt sind die Bars für ihre unterschiedlichen Musikstilrichtungen bekannt: Hier ein wenig Jazz, dort ein bisschen Soul, aber auch Funk oder Dub, es bleiben keine Wünsche offen. Aber schon liegen erneut die endlosen, staubigen Weiten der Wüste vor einem… Dann plötzlich das jähe Ende, die Nadel hebt ab. Müde reibt man sich die Augen, noch leicht blinzelnd geht es duckend unter den Rolladen hindurch zurück ins schattige Zimmer.

Reinhören: Homepage

Aktuelles Album: Grains (VÖ: 20.02.2009, !K7)

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