morrisseyWir erinnern uns: Im letzten Jahr veröffentlicht Morrissey seine dritte Best-Of Compilation. Mit dabei sind die beiden in diesem Zusammenhang eher mittelmäßigen neuen Songs „All You Need Is Me“ und „That’s How People Grow Up“. Überraschung Nummer 1: Beide werden nochmals auf dem neuen Studioalbum veröffentlicht. Überraschung Nummer 2: Dort zählen sie zu den stärksten Songs. Man kann sich nur schwer ausmalen, was seit seinem letzten Album „Ringleader Of the Tormentors“ mit Morrissey geschehen ist, denn eigentlich war alles so wie immer. Kleinere Skandälchen, Gerüchte um eine Wiedervereinigung der Smiths und eine Medienpräsenz, die ihresgleichen suchte.

Doch irgendetwas musste in der Zwischenzeit passiert sein – „Years Of Refusal“ entpuppt sich in Rekordzeit als lustlosestes und anonymstes – oder um es direkter zu formulieren: schlechtestes – Album in Morrisseys Karriere. Der Opener „Something Is Squeezing My Skull“ mag noch als spröde Schönheit durchgehen, doch was danach vor allem in der ersten Hälfte des Albums folgt, darf getrost als enttäuschend bezeichnet werden. Das Frappierende und in dieser Hinsicht auch Neue ist, dass das Album gemessen an den Maßstäben, die Morrissey während seiner Solokarriere gesetzt hat, sowohl auf musikalischer als auch auf textlicher Ebene versagt. Selbst musikalisch schwächere Alben wie „Kill Uncle“ oder „Maladjusted“ überzeugten durch tiefgründige, moralische Gedankenspiele oder substantielle Parolen. Hiervon ist wenig übrig geblieben. Natürlich hatte Morrissey nie wirklich eine breite Auswahl an Themen und Motiven, doch schaffte er es immer, sie so zu verpacken, dass sie wenigstens neu und relevant klangen. Aber so plump wie er sich den Themen Liebe, Sehnsucht und Freundschaft nun nähert, hallen zwar Parolen nach, die aber fast durch die Bank blutleer und ohne wirkliche Aussagekraft daher kommen. Es sind Zeilen wie „But One Day Goodbye Will Be Farewell/ And You Will Never See The One You Love Again“ und „Life Is Nothing Much To Lose/ It’s So Lonely Here Without You“, die den Kopf sachte zu Boden nicken lassen, allerdings eher aus Resignation ob solcher Banalitäten als aus Verständnis.

Bei so viel Enttäuschung fällt es beinahe gar nicht mehr ins Gewicht, dass „Years Of Refusal“ auch musikalisch identitätslos ist. Es sollte wohl eine rockige Produktion fürs Mainstreamradio werden; tatsächlich erstickt das Album aber an seiner Anonymität, die durch Morrisseys geglättete Stimme auf die Spitze getrieben wird. Von Zynismus und Verachtung fehlt jede Spur. Alleine die beiden oben erwähnten älteren Songs, die gefällige erste Single „I’m Throwing My Arms Around Paris“ und das famose „It’s Not Your Birthday Anymore“ entziehen sich der vorherrschenden Stimmungslosigkeit, versöhnen und machen deutlich, dass man Morrissey auch in Zukunft nicht abschreiben sollte.

3.7 / 10

Label: Decca/ Universal

Spieldauer: 43:19

Referenzen: James, Gene, Jarvis Cocker, The Smiths, The Beautiful South, The Housemartins, The Charlatans, Sting, Andy „Falco“ Falkous

Links: MySpace, Homepage

VÖ: 13.02.2009

12 Kommentare zu “Review: Morrissey – Years Of Refusal”

  1. Rinko sagt:

    Danke Felix ! Endlich mal keine Anbetung von Mozza, die wohl schon geschrieben wurde als das Album gerade erst angekündigt wurde, siehe ME ;)

  2. Alex sagt:

    Drei Hinweise für zukünftige Rezensionen:

    1. Interpreten, die man ohnehin nicht leiden kann, nicht mehr besprechen…

    2. Alben zwecks Besprechung bitte öfter als höchstens zwei mal im Schnelldurchlauf anhören…

    3. Wenn man SOVIEL Wert auf gute Texte legt, einfach mal ein Buch lesen…

    Von mir: 7.5 Punkte für den Mozzer…

  3. Felix sagt:

    @Alex:

    1. Ich liebe M. „Your Are The Quarry“ befindet sich momentan auf Platz 3 meiner Lieblingsalben dieses Jahrzehnts, zwei Alben der Smiths sind unter den Top 10 meiner Alltime Favoriten (dazu später auf dieser Seite vielleicht noch mehr).

    2. Das Album habe ich mit Sicherheit oft genug gehört. Ich würde ausgerechnet bei Morrissey sicherlich nicht so eine maue Bewertung geben, wenn ich mir nicht ganz sicher wäre.

    3. Ja, gute Idee :-)

  4. NoOneYouKnow sagt:

    „tatsächlich erstickt das Album aber an seiner Anonymität, die durch Morrisseys geglättete Stimme auf die Spitze getrieben wird.“

    Geglättete Stimme? Ach ja, der verzerrte Schluss von „I’m OK by myself“ ist vermutlich Morrisseys „richtige“ Stimme, der Rest ist geglättet.
    Jammerschade, dass Morrissey die Erwartungshaltung des Autors an Zynismus, Verachtung und Parolen enttäuscht, aber es ist wohl noch das Recht eines Künstlers sich Themen und Stil selbst auszusuchen.
    Und was soll der Vorwurf der musikalischen Identitätslosigkeit? Ein Marachi-Schlager (Carol), harte Rocknummern (Skull, Riverbed etc.), Jingle Jangle-Pop (Paris), eine Pianoballade (Good in your time), was denn noch? Alle Songs haben den Sound, den sie benötigen.

    Man darf das Album ja gerne kritisieren, aber hier finden sich nur beliebige Verriss-Versatzstücke, die zumindest für mich nicht nachvollziehbar sind.

  5. Pascal sagt:

    Erst einmal lieben Dank für die ausführliche Kritik, NoOneYouKnow. Ich selbst habe die Platte noch nicht gehört, mag aber dennoch einen von Dir aufgeführten Punkt nicht ganz verstehen. Meiner Meinung nach kann die Aufzählung zahlreicher Instrumente oder das Pendeln zwischen schnellen und langsameren Stücken den Beweis musikalischer Identität nicht zwangsläufig erbringen. Entscheidend ist doch vielmehr, wie glaubwürdig diese jeweils eingebettet werden bzw. wie sehr sie die Grundstimmung des Albums verkörpern. In manchen Fällen reicht gar ein einziges Instrument…

    Für Felix ist das jetzt sicherlich eine harte Sache: Erst wird er von einem seiner Lieblingskünstler auf musikalischer Ebene enttäuscht und muss jetzt zusätzlich noch im Morrissey-Solo-Thread als Sündenbock für seine Meinung geradestehen. Ich jedenfalls finde es äußerst positiv, dass Du Dich nach den vielen positiven Kritiken anderer Magazine nicht hast beeinflussen lassen, um die Wertung dann ein wenig zu „glätten“. Von mir auf jeden Fall Daumen hoch!

  6. NoOneYouKnow sagt:

    Die meisten Morrissey-Alben haben einen recht homogenen Sound, der meist vom jeweiligen Produzenten geprägt wird, den Morrissey sich für die jeweils aktuellen Songs aussucht. Zu Jerry Finn mit seinem Punkrock-Hintergrund zurückzukehren war demnach eine folgerichtige Entscheidung, denn hier sich viele schnelle und harte Songs versammelt. Dementsprechend ist häufig das Schlagzeug nach vorne gemischt und Morrisseys Stimme ist oft gleichberechtigt mit den anderen Instrumenten zu hören; dieser für Morrisseys Arbeitsweise untypische „Band-Sound“ ist, wie in diversen Interviews zu lesen war, durchaus gewollt, die Basis vieler Stücke sind live im Studio eingespielt worden. In mancher Hinsicht ist das neue Album eine Art „Southpaw Grammar v2.0“, auch auf diesem Album wird „wild gerockt“ und die Texte treten ein wenig in den Hintergrund. Schon damals wurde bei Weisheiten wie „Do your best and don’t worry“ gemault.
    „Eine rockige Produktion fürs Mainstreamradio“ ist das Album mit Sicherheit nicht, wann haben solch kommerizielle Überlegungen schon mal eine bestimmende Rolle gespielt!? Auch die poppige Single, „I’m Throwing My Arms Around Paris“, spricht dagegen, denn sie ist ja nicht gerade typisch für den Album-Sound.
    @Pascal Ich habe ja geschrieben, das jeder Song auf dem Album den Sound (und oftmals auch Sound Effekt (Radio, Möwen)) bekommen hat, den er verlangt. Wer daran Kritik übt, sollte das begründen können, das vermisse ich in der Rezension, da stehen dann nur Dinge wie „enttäuschend“ und „auf musikalischer […] Ebene versagt.“ Gerade wenn man gegen den Strich rezensiert, kommt es doch darauf an! :-)

  7. Pascal sagt:

    Gesetzt den Fall, ich schwimme mit dem Strom, heißt das dann im Umkehrschluss, ich muss die Kritik nicht in dem Maße begründen?;) Vielleicht ist es ja in der Tat so…
    Insgesamt kann ich Deine Argumentation aber ebenso nachvollziehen wie die von Felix. Auch hat diese Rezension in Kombination mit der kleinen „Diskussionsrunde“ doch dazu geführt, dass ich mir – wie einige andere vielleicht auch – schnellstens die Platte besorgen werde, um mir mein eigenes Bild zu machen. Damit wäre wieder einmal bewiesen, dass die wirklich vernichtende Kritik nur diejenige ist, die es nicht einmal fertigbringt, negative Aspekte zum Vorschein zu bringen, sondern sich in vollkommener Gleichgültigkeit verliert. Irgendwie kommt mir da gerade die Bundesliga und das „Graue Maus“-Image in den Sinn…

  8. NoOneYouKnow sagt:

    „Gesetzt den Fall, ich schwimme mit dem Strom, heißt das dann im Umkehrschluss, ich muss die Kritik nicht in dem Maße begründen?“

    Der Smiley in meinem Kommentar zeigt ja schon, dass ich das nicht ganz so ernst meine, aber manche Rezensenten (nicht auf diese Site bezogen, ich bin wegen dem YoR-Review das erste Mal hier und habe sonst noch nichts gelesen) scheinen manchmal so arbeiten; bei einer positiven Kritik wird zu selten versucht, den Leser wirklich gehaltvoll von der Qualität einer Platte zu überzeugen, da gibt’s regelmäßig nur Standard-Phrasen, bei schlechten Kritiken wird dann in den Wunden gepult, in die man die Finger legt.

  9. Pascal sagt:

    Apropos Smiley, jetzt hast Du mein im Zitat aber mal schön unterschlagen;) Habe Dich insgesamt schon verstanden und gebe Dir in vielen Teilen, besonders was gewisse Reviews angeht, vollkommen Recht. Würde mich sehr freuen, auch in Zukunft hin und wieder an dieser Stelle mit Dir zu diskutieren!

  10. […] neues Album "Years Of Refusal" steht nun seit dem 13. Februar in den Läden. Zu beziehen als Vinyl, auf CD oder in einer […]

  11. Felix sagt:

    Nach drei Monaten: Würde sogar noch 0.7 bis 1.0 weniger geben.

  12. […] neues Album "Years Of Refusal" steht nun seit dem 13. Februar in den Läden. Zu beziehen als Vinyl, auf CD oder in einer Limited […]

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