AufTouren.de: 2008 – Das Jahr in Tönen

Schneller als gedacht geht auch das Jahr 2008 seinem Ende entgegen. Um das musikalisch wirklich vielfältige, spannende Jahr noch einmal bestmöglich Revue passieren zu lassen, haben sich die Redakteure von AufTouren die Nächte um die Ohren geschlagen, stets der Angst unterliegend, irgendeinem der ans Herz gewachsenen Platten vielleicht doch nicht ganz gerecht zu werden. Schlussendlich musste sich jeder auf eine bestimmte Anzahl von Alben festlegen, es hilft ja alles nichts. Folglich haben wir all die Listen zusammengelegt und uns gemeinschaftlich für eine Auswahl von 30 Platten entschieden. So geben wir Euch von heute an jeden Tag einen weiteren Teil unserer Favoriten preis, reichern das Ganze mit zahlreichen Specials und Diskussionen an und hoffen, im Dezember das ein oder andere Mal Euer Begleiter sein zu dürfen. Jetzt aber genug der Worte, von nun an haben die Platten das Sagen…
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TV On The Radio „Dear Science,“ [2008; 4AD / Beggars / Indigo] |
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Anstatt dem großen Druck des Vorgängers „Return To Cookie Mountain“ zu erliegen, schlagen TV On The Radio eine komplett andere Richtung ein und kommen dabei musikalisch so unbeschwert, leichtfüßig und schwungvoll daher, dass es einem die Sprache verschlägt. Hier werden keine Erwartungen erfüllt, sondern übertroffen. Ob man sich nun an dem imposanten Wechselspiel der beiden Ausnahmesänger Adebimpe und Malone erfreut, den Funk für sich wiederentdeckt, gemeinsam mit „DLZ“ durch die Nacht fährt oder anfängt, mit allen Körperteilen zu wackeln, sobald die ersten Töne von „Dancing Choose“ erklingen, all das spielt längst keine Rolle mehr. Aber Vorsicht, der Schein trügt. Hinter dieser Fassade lauert die bitterböse Abrechnung mit der heutigen Gesellschaft, ihrer ätzenden Oberflächlichkeit und der Unfähigkeit seiner Möchte-Gern-Protagonisten, die nur als Handlanger der wirklichen Fädenzieher fungieren: „He’s a WHAT? / He’s a WHAT? / He’s a newspaper man / And he gets his best ideas from a newspaper stand / From his boots to his pants / To his comments and his rants / He knows that any little article will do!” „Dear Science,“ repräsentiert 2008 wie kein zweites Album und verpackt jahrelang aufgestaute Wut in einem zuckersüßen Mantel. Kurz nach dem Release standen die Wahlen in den USA an, deren Ergebnisse eine eindeutige Sprache sprechen sollten. (Pascal) |
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Bon Iver „For Emma, Forever Ago“ [2008; 4AD / Beggars / Indigo] |
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Es scheint, als seien dieses Jahr Vollbärte wahre Erfolgsgaranten. So hat auch diese kanadische Holzhüttenromantik ihre Blüten unters vielschichtige Indie-Publikum gebracht. Bon Iver schrieb ein reines Songwriter-Album auf leisen Sohlen, das einem immer wieder einen Hieb versetzt, wenn es zwar ruhig, aber ohnehin schon schmerzhaft zugeht. Alles reduziert sich letzten Endes auf eine akustische Gitarre und diese Stimme, die mal mehr vom Kopf kommt, sich dann und wann völlig vergisst und brennende Befürworter auf den Plan ruft, in allen Fällen aber zu Tränen rühren kann. Wie in „Skinny Love“, das aus dem Nichts kam. Und zu einem der größten Songs dieses Musikjahres avancierte. Ebenso verhält es sich auch mit diesem Album. (Sven) |
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Fleet Foxes „Fleet Foxes“ [2008; Sub Pop / Bella Union / Cooperative] |
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Zeitlos, erhaben, monolithisch, das sind wohl die Worte, die die Musik der Fleet Foxes auf ihrem selbstbetitelten Debütalbum am besten beschreiben. Hier klingt jeder einzelne Ton als wäre er nicht anno 2008 von fünf „Neohippies“ aus Seattle erzeugt, sondern immer schon da gewesen. Großes Melodiegespür, die charakteristischen Harmoniegesänge und eine Detail-verliebtheit, die dem Brueghel-Gemälde auf dem so wunderbar passenden Albumcover alle Ehre erweist, vereinen sich zu Songgiganten wie „White Winter Hymnal“, „Your Protector“ und dem grandiosen Finale „Oliver James“. Die Fleet Foxes erschufen ein Werk, das, um den ewigen 60s-Vergleichen einmal aus dem Weg zu gehen, in seiner Perfektion in diesem Jahrzehnt höchstens noch von Interpols düsterem Meisterwerk „Turn On The Bright Lights“ erreicht wird, deren helles sonnendurchflutetes Gegenstück es somit darstellt. (Bastian) |
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The Dodos „Visiter“ [2008; Frenchkiss / Wichita / Cooperative] |
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Erst rückten ihm eingeschleppte Ratten und Schweine auf das Gelege, später erschlug ein spanischer Seefahrer den letzten seiner Art. Abwehrverhalten und natürliche Feinde kannte er nicht – und so fügte sich der Dodo in sein unheilvolles Schicksal. Binnen 100 Jahren hatte die Zivilisation diesen zutraulichen Federträger für immer ausgerottet. Das war im Jahr 1681. Knapp 400 Jahre später sorgt ein amerikanisches Duo für den passenden Dodo-Gedächtnis-sound. Es rumpelt und eckt an, sitzt schlecht und macht dennoch eine gute Figur. Hier werden Dilettantismus und Authentizität groß geschrieben und sorgen für eine der feinsten Indierock-Scheiben des Jahres! (Markus) |
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Chad vanGaalen „Soft Airplane“ [2008; Sub Pop / Cargo] |
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„Willow Tree“ war wie geschaffen dazu, den Hörer zu verwirren. Der Opener von „Soft Airplane“ war in der Lage, ohne Anstrengung seelisch zu verwunden, wirkte in seiner Instrumentierung aber beinahe zutraulich. Dieser weit unter die Haut gehende Song erweckte größtes Interesse, repräsentiert das Gesamtwerk aber nur bedingt, da einem am Anfang die Kälte und das komplexe Aneinanderreihen verschiedenster Elektro-sounds alles abverlangen. Das, was dieses so verdammt großartig verspielte Werk aber jederzeit zusammenhält und spätestens nach einigen Durchgängen zu einer der Lieblingsplatten dieser Jahre werden lässt, ist Chads unverkennbare, warme Stimme, die immer und immer wieder mit der eigenen Fassung ringt. Wie eine Kalt-Warm-Dusche, die als Allheilmittel gegen Fieber gilt, sollte auch dieses Wunderwerk stets griffbereit im Handgepäck zu finden sein, wenn man mal wieder schwierigen Zeiten entgegenblickt. (Pascal) |
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Lindstrom „Where You Go I Go Too“ [2008; Smalltown Supersound] |
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Der Weltraum-Boom infolge der Mondlandung der Apollo 11 durchdrang alle popkulturellen Schichten: Oberbekleidung (Moonboots, schimmernde Silber-Outfits), Raumfahrer-Prosa, Alien-Filme. Selbstredend durfte der Klang zum Ereignis nicht fehlen, der eine Ahnung von Raumtiefe und Unendlichkeit versprühte. Cosmic Disco verband schillernde Beats mit analogen Sounds zu einem ganz eigenen Erlebnis wärmender Klänge. Was damals als futuristisch galt, wirkt heutzutage etwas befremdlich: Bunt, harmlos, teils brutal romantisch. In Verzahnung mit Italo Disco, jener Abart sphärischer Flächen und simpel gehaltener Beats der 80er, entstehen auf Lindstrøms Debüt drei Tracks mit höchst figurativem Popappeal. Eine Mischung der Schwebe, die so stimmig ist, dass dieser instrumentale Trip in die Nische bestens funktioniert – und sogar inzwischen zum Trademark-Sound der Osloer Elektroszene geworden ist. (Markus) |
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Frightened Rabbit „The Midnight Organ Fight“ [2008; Fat Cat / PIAS / Rough Trade] |
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In etwa seit den Tagen des legendären Postcard-Labels erscheint aus Schottland mindestens einmal jährlich ein – im weitesten Sinne – „Indie“-Album, das auch über längere Zeit in Erinnerung bleibt. Nachdem diese Ehre im letzten Jahr den rauen Shoegazern von The Twilight Sad zuteil wurde, reichen diese den Stab nun an eine mit ihnen wohl sehr gut befreundete Band weiter. Frightened Rabbit haben ein im besten Sinne klassisch zu nennendes Indierockalbum geschaffen, das vor Leidenschaft nur so brennt. „The Midnight Organ Fight“ bietet vierzehn mit dem Kopf durch die Wand taumelnde, fallende und wieder aufstehende Hymnen über den täglichen Kampf in unser aller Leben. „It takes more than fucking someone, you don’t know to keep warm.“ (Bastian) |
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The Notwist „The Devil, You + Me“ [2008; Big Store / City Slang / Universal] |
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The Notwist umgehen ganz einfach die hohe Messlatte, die sie sich 2002 mit ihrem kleinen Pop-Manifest „Neon Golden“ selbst gelegt hatten. „The Devil, You + Me“ kommt überraschend frei von Zwängen, Konventionen, Druck, Ansprüchen und Erwartungen daher und erzeugt dabei vom ersten Ton an eine fast schon unheimliche Wärme. Es fahren keine Spielzeug-eisenbahnen, es zerbrechen keine Stofftierherzen mehr. Es braucht keine Hits, es werden auch keine versucht. Das Milchglas von damals ist nun eine schlierenfreie Fensterscheibe – nur die Regentropfen sind noch drauf. Aber die will man ja auch gar nicht loswerden. Das Ergebnis sind wunderbare Melodien für elf meist traurige Songs, die ihre Wirkung zu keiner Zeit verfehlen. Volltreffer! (Sven) |
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Sigur Ros „Með suð í eyrum við spilum endalaust“ [2008; XL / EMI] |
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Sigur Rós haben ihre musikalischen Weichen längst gestellt – der umtriebige, fast ruhelose Downloadtrack »Gobbledigook« führte nur kurz auf den Pfad der sommerlichen Sorglosigkeit, bevor die Band wieder eine ästhetische Ehe mit der Elegie einging. Es wurde Bewährtes auf exzellentem Niveau umgesetzt: Die unendliche Tiefe, die luftige Resonanz, karge Klangfelder und intime Räume, das Aufbäumen und Abebben, Echos aus Gletscherspalten, das Flirren der Streicher und das bekannt frostige Klagen. Musik mit Tempolimit. (Markus) |
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No Age „Nouns“ [2008; Sub Pop / Cargo] |
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Absolute Authentizität der beiden Protagonisten Randy Randall und Dean Spunt, ein ausgefuchstes zweites Werk und unzählige völlig wilde, ausufernde Gigs haben No Age in den Kreis der most-talked-about Bands der Indieszene emporsteigen lassen. Vorläufiger Höhepunkt ist die kürzlich bekanntgegebene Grammy-Nominierung. Ganz nebenbei fungierte die Band dabei als Motor für das rasch ansteigende Interesse am Mysterium „The Smell“. Dieser Club hat sich längst zur ureigenen Szene entwickelt, die uns in schneller zeitlicher Abfolge eine Reihe von interessanten Bands wie Abe Vigoda, The Mae Shi, HEALTH oder natürlich die großartigen Mika Miko bescherte. (Pascal) |
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Hot Chip „Made In The Dark“ [2008; DFA / EMI] |
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Wie klingt es, wenn eine Gruppe verschiedenster Musiker unter reichlich Alkoholgenuss gemeinsam improvisiert? Hot Chip sorgten 2008 mit Congas, Gitarren und Clavia Nord Lead für mächtig Furore und brachten Farbe ins erblasste Pop-Biz. Da darf man sogar mal wieder das Wort „Konsensband“ in den Mund nehmen, denn die Cover der Magazinlandschaft wurden eindeutig von Taylors überdimensionaler Brille dominiert. Zu dem viel gefeierten Album gab‘s dann auch noch großartige Live-Shows, bei denen die Nerd-Clique ebenfalls in jeglicher Hinsicht überzeugen konnte. Rundes Ding. (Philip) |
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Portishead „Third“ [2008; Island / Universal] |
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Die Befürchtungen waren überflüssig und so regnete 2008 einhellig Kritikerlob über Portishead herab, dass es der Band selbst fast unheimlich war. Anstatt den roten Faden des anachronistischen 90er Jahre-Trip-Hops aufzunehmen, schmissen sich die Mannen rund um Beth Gibbons glücklicherweise in dunkle, geheimniskrämernde Gruben und suhlten sich in exzentrischem Industrial-sound. Elektronische Avantgarde und überraschend komplexe Klänge sorgen für die nötige Schwere und zeigten die neu gewonnene musikalische Ambition des britischen Trios, das mit „Third“ erstaunlicherweise auch in den Charts Erfolge feiern konnte. (Markus) |
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Miles Benjamin Antony Robinson „Miles Benjamin Antony Robinson“ [2008; Say Hey Records] |
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Miles Benjamin Anthony Robinson ist zusammen mit Bon Iver die Songwriterüberraschung des Jahres. Und zu wenige haben es bemerkt. Wer mit 24 Jahren derart authentisch und verwundbar sein bisheriges Leben voller Drogenkonsum, Obdachlosigkeit und Familienproblemen revue passieren lässt, ist auf Platz 13 der Jahrescharts eindeutig zu weit hinten angeordnet. Ein umwerfendes Debüt eines gebrochenen Afro-Amerikaners, auf dem persönliche Texte mit erdiger und verschrobener Instrumentierung zusammen im Dreck wühlen. (Florian) |
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Black Mountain „In The Future“ [2008; Jagjaguwar / Cargo] |
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Was für eine Geisterbeschwörung! Ob Pink Floyd, Led Zeppelin oder Jefferson Airplane. Die fünf Kanadier von Black Mountain scheuten sich nicht, für ihr überragendes Zweitwerk „In the Future“ die großen Namen der 60er und 70er zu zitieren. Staubtrocken wie Zwieback, meandernd und groovend wie Roger Waters in seinen besten Zeiten und psychedelisch spuckender als die Scooby Doo-Show. „In the Future“ läuft kalt den Rücken runter, schüttelt Mähnen, stampft zu Boden, entlockt Tagträume und will dabei nie zu hoch hinaus. (Florian) |
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The Hold Steady „Stay Positive“ [2008; Vagrant / Rough Trade / Beggars] |
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Der Titel des vierten Albums von The Hold Steady kann leicht in die Irre führen. „Stay Positive“ entpuppt sich keineswegs als der leicht verdauliche Luftikus. Im Gegenteil, hier fließt eine Menge Blut und passenderweise peitschen die Drums verhältnismäßig dreckig ein. Vereinzelt macht sich sogar Verzweiflung breit („Lord I´m Discouraged“). Trotzdem kann aber selbstverständlich auch das neue Werk mit zahlreichen Titeln aufwarten, die in keiner Jukebox fehlen sollten. Zusätzlich liefert die Band mit „Constructive Summer“ DEN Sommerhit ab und hält uns wieder einmal vor Augen, dass wir die Hoffnung auf Besserung nicht aufgeben sollten. (Pascal) |
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Ten Kens „Ten Kens“ [2008; Fat Cat / One Little Indian / Rough Trade] |
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Nach dem ebenso unterhaltsamen wie blutrünstigen Video zu „Bearfight“ beschenkten uns Tens Kens in diesem Jahr gleich mit einem kompletten Album, das in Erinnerungen an noch gar nicht so lang vergangene Zeiten schwelgen lässt. Post-Punk und fast schon nostalgischer Indie-Rock treffen mitreißende Melodiebögen und fabrizieren auf gesamter Länge eine beeindruckende Hitdichte. Und obwohl das schroffe, improvisierte Element der 2006er Ausgabe etwas in den Hintergrund getreten ist, begeistert das Album mit einem Sound, der in puncto Aufrichtigkeit und Leidenschaft sicherlich nur schwer zu überbieten sein dürfte. (Felix) |
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Deerhunter „Microcastle“ [2008; 4AD / Beggars / Indigo] |
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Verführerisch der Einstieg, verwirrend der weitere Verlauf und intensiver mit jedem Hördurchgang. Innerhalb von gut anderthalb Jahren haben Deerhunter ihrem tollen Debüt einen würdigen Zweitling folgen lassen. Von ruhigen und luftigen Beats wird der mitunter stark verschmutzte Sound in geordnete Bahnen geführt. Die kratzigen Gitarren dürfen sich in alle Richtungen ausbreiten, ohne anderen Elementen den Platz zu rauben. Der Gesang reiht sich unauffällig ein und Schicht für Schicht erhält die Leinwand Farbe, scheinbar ohne klares Ziel, alles bleibt abstrakt, die Songgrenzen verwischen. Es verhält sich wie mit vielen tollen Gemälden: Man kann nicht behaupten, jedes kleine Detail recht zu deuten – der künstlerische Wert steht aber außer Frage. (Sven) |
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Women „Women“ [2008; Flemish Eye / Jagjaguwar / Cargo] |
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Women springen auf Ihrem Erstlingswerk problemlos zwischen lärmenden Geräuschkulissen und weitläufigen, hallunterstützten 60s Harmonien hin und zurück. In Kriechkellern und Abwasserkanälen aufgenommen, kreieren die vier Kanadier eine düstere, klaustrophobische Stimmung, die zunächst mit psychedelischen Grooves durchbrochen wird, bevor schlussendlich der anfängliche Albtraum erneut mit Vehemenz durchbricht. Ein Album von beeindruckender Wucht und Vielfältigkeit, welches immer wieder neue Reize beim Hören setzt. (Richard) |
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Of Montreal „Skeletal Lamping“ [2008; Polyvinyl / Cargo] |
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Das sexuell aufgeladenste Album des Jahres kommt aus den Staaten. Of Montreal machen auf ihrem neunten Studioalbum Discopop, der mit Federboas und vibrierenden Dildos wild um sich schmeißt. Unvermittelte und dramatische Rhythmuswechsel sind eine der prägendsten Charakteristika dieses hemmungslosen Ritts, der über – gefühlt – annähernd soviele Höhepunkte führt, wie Kevin Barnes fordert („I wanna make you cum, 200 times a day“). Eine tumultuöse Stunde lang wird der Titel zum Programm gemacht: „Skeletal Lamping“ ist eine rabiate Jagdmethode, bei der Jäger nachts den Wald mit grellem Licht fluten, um die Tiere, die panikerfüllt aus ihren Verstecken flüchten, zu erlegen. (Richard) |
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Fuck Buttons „Street Horrrsing“ [2008; ATP / Rough Trade] |
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Für jeden, der Anfang des Jahres eine schwere Zeit durchmachen musste, dürfte „Street Horrrsing“ die perfekte Platte gewesen sein. Nein, nicht etwa, um die Stimmung wieder aufzuhellen, sondern um sich fürs Erste komplett abzuschotten und die Gedanken zu ordnen. In klaustrophobischer Atmosphäre setzen Fuck Buttons mehr als nur kleine Nadelstiche, bedrohlich tauchen urplötzlich Stimmen aus dem Nichts auf, die im nächsten Augenblick schon wieder genau dorthin verschwinden. Doch so ganz allein gelassen wird man nie. Süßlich dröhnende Töne für den perfekten Albtraum. (Felix) |
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The Cool Kids „The Bake Sale“ [2008; XL / Beggars] |
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Nenn es Hipster-, meinetwegen auch Retro-Rap. Mit simpelsten aber immer kickenden Beats und Abzählreimen über BMX und Oldschool-Nikes liefern uns Mikey Rocks und Chuck Inglish ihre ganz eigene „new black version of the Beastie Boys“, Hommage an Run DMC oder aber auch das dringend benötigte Update des aktuell dahinsiechenden Neptunes-Sound. So viel Spaß hat Hip Hop jedenfalls schon lange nicht gemacht. (Bastian) |
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Sascha Funke „Mango“ [2008; BPitch Control] |
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Musik, die tief blicken lässt. Es ist ein rhythmisches Flackern, es wird mit jedem Beat etwas heller, etwas konfuser, und doch fokussiert. Es ist der Blick in die grimmigen Augen der Stadt, die zunehmend Verständnis wecken. Trockene Technobeats prallen auf unverblümt poppige Melodielinien. Staub und die süßen Säfte der Mango vermischen sich in hunderten kleiner Explosionen und malen bunte Kontraste in den Nachthimmel. Sascha Funke jongliert mit tropischen Früchten und deutscher Hausmannskost, wir sehen zu und halten den Atem an. (Sven) |
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The Pica Beats „Beating Back The Claws Of The Cold“ [2008; Hardly Art] |
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Mein persönliches Lieblingslied 2008 heißt „Poor Old Ra“, die bizarr humorvolle und tieftraurige Geschichte des verlassenen ägyptischen Sonnengottes gehört zu der Art Songs, die man einmal hört, sofort in sein Herz schließen kann und sobald nicht vergisst. Ein perfektes kleines Stück Musik, das sich den großen und effekthascherischen Gesten ganz bewusst verweigert. Das dazugehörige Album „Beating Back The Claws Of The Cold“ ist voll von solchen melancholisch weisen, zutiefst romantischen Kleinoden. Anrührend und aus der Zeit gefallen klingt Ryan Barretts Gesang zum leicht rumpelnden, grundsympathischen Folkpop, einer im allerbesten Sinne unscheinbaren Platte, einer Platte wie ein guter Freund. (Bastian) |
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Hercules & Love Affair „Hercules & Love Affair“ [2008; DFA / EMI] |
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„As a child i knew / that the stars could only get brighter / and we would get closer / get closer / Ooooh.“ Um diese Zeilen kam man dieses Jahr wohl kaum herum, lieferten sie doch den Hype 2008 und schufen einen ausnahmelosen Konsens in der einschlägigen Fachpresse. Mit Ihrer intelligenten Mischung aus Disco, Wave und Elektronik brachten die New Yorker auch das müdeste Tanzbein zum Schwingen, nicht zuletzt auch dank Anthony Hegartys brillianter Gesangsarbeit. (Philip) |
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Deerhoof „Offend Maggie“ [2008; Kill Rock Stars / Cargo] |
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Ende Oktober bescherte uns das schräge Indie-Quartett aus San Francisco noch einen besonderen Leckerbissen: Mit „Offend Maggie“, dem mittlerweile neunten Studioalbum der Band, sichern sich Satomi Matsuzaki und Co. den verdienten Platz im Jahrespoll. Ihr nervöser Art-Rock wurde mal wieder einem kleinen Update unterzogen, die Riff-Fragmente splittern auf „Offend Maggie“ geradezu kaleidoskopisch über die gebrochenen Rhythmen. Satomi gibt mit ihrem schräg-hohen Gesang wie immer einige Rätsel auf und lehrt dem Zuhörer die Harmonie der Dissonanz. (Philip) |
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Air France „No Way Down EP“ [2008; Sincerely Yours] |
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Mit „No Way Down“ platziert das schwedische Duo von Air France die erste EP in unseren Jahrescharts. In einer Schnittmenge von düsterer Melancholie, Karibikflair und atmosphärischen, naturverbundenen Klangwelten haben Air France mit ihrer bereits zweiten EP eine schillernde Wundertüte elektronischer Musik geschaffen. Mit tanzenden Beinen und verträumten Blicken schauen wir hoffend nach vorne, auf das ein Album bald kommen möge. (Florian) |
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Department Of Eagles „In Ear Park“ [2008; 4AD / Beggars (Indigo)] |
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Daniel Rossen, seines Zeichens wichtiger Kreativposten bei Grizzly Bear, lädt dieses Mal zusammen mit seinem langjährigen Freund Fred Nicolaus ein zur einer wundersamen Reise in die Vergangenheit, in den „In Ear Park“ von Chicago, in dem Daniel viele verborgene Erinnerungen an seine Kindheit und seinen kürzlich verstorbenen Vater versteckt hält. Ein äußerst intimes, verträumtes Werk, voller wunderschöner Momente, das bewusst Zeit einfordert, um zu ganzer Pracht zu erstrahlen. (Pascal) |
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Snowman „The Horse, The Rat And The Swan“ [2008; Dot Dash] |
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Gierig verschluckt die Dunkelheit so viele Lichtquellen wie nur eben möglich. Der Mond ist längst nicht mehr zu sehen. Bedrohlich raschelt es erst links, dann rechts, es müssen Ratten gewesen sein, hoffst Du. Aufkommendes Unwohlsein verwandelt sich rasch in absolute Paranoia, Du drehst Dich im Kreis, ruderst mit den Armen und verlierst vollends die Kontrolle. Kurz vor der endgültigen Ohnmacht erkennst Du das Spiel, bündelst alle Energien und röchelst immer wieder einen allerletzten Satz in diese ätzende Welt: „We are machines, we are machines…“. (Pascal) |
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El Guincho „Alegranza“ [2008; XL / Beggars (Indigo)] |
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Drogen parat? Schnell diese Lebenslust zelebrierende Platte angeschmissen und schon läuft die Party! Aus Karibik-Schnipseln, Beatcollagen und struppigem Sonstwas bastelt dieser Beau aus Spanien die aberwitzigste und sonnigste Sample-Platte des Jahres. „Alegranza“ hat alles, worauf wir unsere Urlaubs-Sehnsüchte projizieren können: Palmen, Sonne, Strand und das gewisse südländische Laissez-faire. (Markus) |
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Lykke Li „Youth Novels“ [2008; Eastwest (Warner)] |
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Kaum irgendwo sonst klang Popmusik in diesem Jahr so charmant und leicht wie bei der jungen Dame aus Schweden. Ideenreichtum, Ästhetik, Eingängigkeit und jede Menge Selbstbewusstsein vereinen sich hier zum perfekten Entwurf vom Popsternchen mit Indiecredibility. Dagegen sieht selbst Britneys Schonwieder-Comeback alt aus. (Bastian) |
ja, britney, die alte indieikone :P
Habe mir für diesen Monat vorgenommen, möglichst oft die Platte abends nochmals anzuhören, die gerade laut Liste an der Reihe ist. Und ja, die Lykke Li gefällt mir doch soo viel besser als vorher angenommen, besonders die ersten vier Songs, wow. Erstmal die Vinyl bestellen…
immer noch so lang, herje.
Um genau zu sein, etwas mehr als das Doppelte des Textumfangs von Lykke Li;)
„The Bake Sale“ bringt wirklich mal wieder frisches Blut in den gammeligen Blink-Hip Hop, da würde ich mal ausnahmsweise einen Retro-Sound sehr begrüssen :)
Könnte nur ne Spur weniger stylish, dafür mitunter ein wenig mehr Uptempo sein.
Euer Blog ist wirklich gut, aber ich muss jetzt mal trotzdem auf Oberlehrer machen. Wie so oft werden zweite Alben von Bands, die ins Rampenlicht rücken, als Debüt verkauft. Das passiert anderen größeren Seiten auch, aber ich finde es durchweg fatal im Hinblick auf die Historie und Entwicklung einer Band. Cryptograms war bereits das zweite Album nach dem ersten ohne Titel, das hin und wieder „Turn It Up Faggot“ genannt wird. Wenn man dieses ignoriert, versteht man die Band einfach nicht.
@DRRRK: Lieben Dank für den Hinweis. Bin auch fälschlicherweise davon ausgegangen, dass „Cryptograms“ das Debüt war. Interessant aber, das man nach einer intensiven Suche im Netz gleich mehrere Quellen findet, wo Bradford seinem Hass gegenüber dem Werk freien Lauf lässt. Ist das der Grund, warum Du meinst, dass man die Band erst mit dem Kennen dieses Werks verstehen kann?
Hey Pascal,
Ich wußte gar nicht, dass Bradford Cox gar nicht mehr dahinter steht. Qualitativ sind die Folgealben deutlich besser. Ich meinte das im Hinblick darauf, dass man häufig liest, Deerhunter wären nach experimentellen Anfängen jetzt zu poppigeren Songs gewechselt. Die Strukturen auf dem ersten Album waren auch schon deutlich songorientiert, nicht so sehr als Einheit wirkend wie Cryptograms.
@DRRRK: Wortwörtlich liest sich das so;)
Bradford Cox: I hate that album, I really do. I liked it when we did it, but we were a young band– just really desperate to put something out– and I don’t think we were ready. Lockett [Pundt, guitar] hadn’t joined the band, and our drummer started playing drums maybe two months before.
Davon ab, welches der drei (mit Weird Era Cont 4) Alben bevorzugst Du denn? Ich persönlich bin der Meinung, dass die Band vorerst mit der Fluoresent Grey Ep ihren Höhepunkt erreicht hat.
@Pascal
Seine Meinung ist eindeutig nachvollziehbar. Gegen den anderen Output wirkt das Album unreif, aber genau dafür auch ganz erfrischend. Ich selbst finde Cryptograms am besten. Ich lasse mich gerne über Albumlänge einlullen. Die Fluoresent Grey EP ist auch super, aber als EP zu kurz dafür. Die Doppelausgabe EP + Cryptograms Album machte aber eindeutig Sinn, weil die Releases soundmäßig zusammen gehören.
@DRRRK: Ja, das sehe ich auch so. Bin gespannt, wo die Reise in Zukunft hinführt. Vielleicht können wir ja schon in wenigen Monaten bei ihrer Tour kleine Grundrisse davon erkennen;)
Entschuldigt bitte, dass sich das Update um einen Tag verzögert hat. Aber da wir uns gestern auf die etwas längere Reise zu den Thermals gemacht haben, war es nicht eher möglich. Hat sich aber mehr als gelohnt, der Trip, so viel sei schonmal angemerkt;)
da kann ich mich ja auf morgen freuen, hehe!
auf die 1 mit frightened rabbit! hab ich leider viel zu spät entdeckt.
Na, das macht nichts. Ich hatte sie zeitig. Und hätte sie auch später haben können. „The Modern Leaper“ und „Poke“ werden mich bis an mein Lebensende verfolgen. Naja, begleiten.
ja, poke trifft ins schwarze. aber sowas von. fast blood und good arms vs. bad auch. und der opener. hach.
mein persönliches highlight ist auch die scheibe von frightened rabbit.
insgesamt sehr viele geniale scheiben habt ihr da aufgelistet.
besten dank dafür!
hoffen wir, dass 2009 auch so viele top-alben hervorbringt!
in diesem sinne: frohes neues!
@pascal & co.: herzliche grüße und ein tolles musikjahr 2009 wünscht ‚das klienicum‘!
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[…] präsentieren – und, das Wichtigste, mit euch darüber diskutieren. 2008 haben wir uns noch auf 30 Platten beschränkt, letztes Jahr gab es dann neben unseren 50 Lieblingen zusätzlich eine Auswahl etwas […]
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