Mit ihrem zweiten Album schaffen Fucked Up einen echten Quantensprung und legen trotz aller Zerrissenheit nebenbei mal eben das vor, was man als Konsensalbum 2008 im Bereich Punk, Hardcore und allem, was dazu gehört, bezeichnen könnte. Seit ihrer Gründung 2001 haben Fucked Up eine geradezu unglaubliche Veröffentlichungsserie hinter sich. Unzählige 7-Inches, annähernd zwei Dutzend, waren als Vorlaufzeit nötig, bevor 2006 das Debüt „Hidden World“ veröffentlicht wurde, welches sofort aufhorchen ließ. Schon damals war das Album für eine Veröffentlichung einer Band, die ihre Wurzeln hauptsächlich in der Hardcore Szene hat, erstaunlich lang und vielfältig. Trotzdem war es immer noch eindeutig einem Genre zuzuordnen, Fucked Up hatten ihre Heimat noch nicht verlassen.

Mit dem neuen Album ändert sich nun eine ganze Menge. Auf Anhieb ist „The Chemistry Of Common Life“ verstörend, die Stimmung ist explosiv und die Songs entwickeln sich meistens so, wie es gerade nicht zu erwarten war. Da ist zum einen Sänger Damian Abraham, der seine außergewöhnliche Stimme in letzter Zeit tatsächlich noch weiter ins Absurde weiterentwickelt hat. Am besten noch mit NeurosisScott Kelly – allerdings mit dem aktuellen, durch 25 Jahre harten Musikerlebens gezeichneten – zu vergleichen, liefert er sich eine faszinierende Auseinandersetzung mit seinen Bandkollegen an den Instrumenten. Ob Freund oder Feind – diese Frage findet bis zum Schluss keine passende Antwort. Eindeutig, die Stimme erscheint auch für geübte Ohren in erster Linie abstoßend. Gleichzeitig wirkt sie aber auf eine beinahe mysteriöse Weise extrem anziehend, ja süchtig machend – sicherlich auch ein Grund dafür, warum die Platte vermutlich überdurchschnittlich viele Durchgänge benötigt, um sie wenigstens annähernd zu begreifen.

Gleichzeitg haben sich Fucked Up auch auf den anderen musikalischen Ebenen weiter von ihren Wurzeln entfernt und warten mit einem künstlerischen Anspruch auf, der wirklich überrascht und über die volle Distanz auch gelegentlich überstrapaziert wird. Gekonnt mischen Fucked Up ihr bisheriges Repertoire mit Progressive- und Post-Rock Elementen, klingen dabei erfrischend aneckend und rau und schaffen es dabei dennoch, fast jeden Song zu einem runden und harmonischen Ende zu führen. „Days of Last“ und „Black Albino Bones“ sind in ihrer gleichzeitig brutalen und filigranen Darbietung beste Beispiele dafür, wie zwei verschiedene Philosophien mit all ihren Widersprüchen aufeinander prallen und gleichzeitig ganz neue Ebenen erschließen. Molotow-Cocktails auf Autos und die Polizei macht mit. Es bleibt natürlich nicht aus, dass die Bandmitglieder dabei ab und zu in einer Sackgasse landen, wenn es darum geht, diesen progressiven Anspruch vollends Aufrecht zu erhalten, die beiden esoterischen Interludes etwa braucht kein Mensch. Macht aber wenig aus, denn Fucked Up finden auch nach solchen Situationen schnell und sicher wieder auf den richtigen Weg zurück.

7.3 / 10

Label: Matador / Beggars

Spieldauer: 52:20

Referenzen: Torche, Cursed, Hot Water Music, Gorilla Biscuits, Blood Brothers, Pink Floyd, Neu!

Links: Blog, MySpace

VÖ: 17.10.2008

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