Fuck The System

Es ist viel geschrieben und spekuliert worden, welche Dimensionen die von No Age und Mika Miko losgetretene Punk- und Lo-Fi-Welle annehmen würde, schließlich konnten innerhalb kürzester Zeit Bands wie Abe Vigoda auch außerhalb ihres Reviers beträchtliche Erfolge vorweisen. Inmitten dieser ganzen Bewegung – wie könnte es auch anders sein – steht ein beinahe völlig heruntergekommenes Gebäude, das große Mysterium, in Fachkreisen auch „The Smell“ genannt. Warum und vor allem warum ausgerechnet jetzt eine neue, sowohl an den Punk der 70er als auch an Do-It-Yourself – Größen wie Black Flag oder die Germs erinnernde Bewegung so viel Nachfrage erfährt, wird so schnell nicht zu klären sein, miteinander verzahnt scheinen da unterschiedlichste Gesellschaftsströme Einfluss zu nehmen. Aber eines steht fest, die Musik ist immer Ausdruck dessen, was die Menschen in eben jener Zeit fühlen. So verwundert es nicht, dass die Welle immer größere Kreise zieht und inzwischen auch im Vereinigten Königreich angekommen zu sein scheint, von da aus kommt nämlich nun der nächste, vor Wut nur so strotzende dicke Brocken auf uns zu geschossen!

Scheinbar überflüssig zu erwähnen, dass die Lovvers in den vergangenen Monaten mit diversen Bands wie No Age, Mika Miko, Times New Viking oder Jay Reatard um den Globus tourten und dabei nicht selten fragende Gesichter hinterließen und verzweifelten, noch an den Frieden auf der Welt glaubenden Menschen den Dreck nur so in die Augen spülten. Erwartungen zu erfüllen oder sich gar an gegebene Normen zu halten ist nämlich mal so gar nicht ihr Ding, das bekommt nicht nur jeder zu spüren, der einmal live dabei war, da genügt schon eine kurze Sequenz ihres komplett abgedrehten Videos zu „Human Hair“. Hier wird in wenigen Minuten kurzer Prozess gemacht mit jeglichen Modeerscheinungen – wer braucht heute noch einen Waschbrettbauch? Auch das so häufig für friedliche Idylle stehende Meer samt seiner rauschenden Wellen wird hier nur dafür benutzt, es auf grausame, aber phantastische Art und Weise gegen verschiedenste Fratzen ankämpfen zu lassen, um später von dem großen Nichts des Dunkels vollständig absorbiert zu werden. Ja, sowas regt zum Denken an, hier will uns jemand mit aller Macht vor Augen halten, wie gefangen wir doch in unserem selbst kreierten System vor uns hinsiechen.

Passenderweise rotzt uns die Band in nicht mal 13(!!) Minuten sieben Bastarde von Songs vor die Füße, eben genau so lang, dass die Polizei den Laden nicht dichtmachen kann, bevor die Platte zu Ende ist. In irrsinnigem Tempo, „totally pissed off“ und mit angsteinflößender Entschlossenheit werden einem hier die Wortfetzen um die Ohren gepfeffert, dass es nur so kracht. Es hat eh längst keiner mehr was zu verlieren. Für viele sicherlich ein Fall für den Psychiater, für andere wiederum eine der spektakulärsten Entdeckungen des Jahres. So viel Energie, Wut und Tatendrang, gepaart mit musikalischer Raffinesse, hat es seit den frühen 80ern wohl nicht mehr gegeben. Nicht nur der ideale Wegbegleiter, wenn es darum geht, seinen Aggressionen freien zu Lauf zu lassen, sondern sicherlich auch als ständiger Antreiber zu verstehen, der einem immer wieder vor Augen hält, wie wichtig es ist, Dinge zu hinterfragen. Werft einfach einen Blick auf das Plattencover und ihr wisst, worauf Ihr Euch einlasst…

8.7 / 10

Label: Wichita / Cooperative

Spieldauer: 12:41

Referenzen: Black Flag, The Germs, No Age, Mika Miko, Times New Viking, Jay Reatard, Abe Vigoda, Black Lips

Links: MySpace, Wichita

VÖ: 03.10.2008

2 Kommentare zu “Review: Lovvers – Think (2008)”

  1. Bastian sagt:

    Volle 15 Euro für 7 Songs und 13 Minuten sind aber ganz schön dreist.

  2. Pascal sagt:

    Die 13 Minuten reißen dafür komplett mit. Diese unbändige Energie, diese Wucht, diese Wut, einfach herrlich. Kannnst ja auf Repeat stellen;)

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum