Review: Blitzen Trapper – Furr (2008)
Was ist denn hier passiert, über Nacht erwachsen geworden? Ist das Geld für Drogen ausgegangen? Am bösen, sich einmischenden Majorlabel kann’s ja nicht gelegen haben. Vor circa einem Jahr sorgten Blitzen Trapper mit ihrem rundherum durchgeknallten Album „Wild Mountain Nation“ für – aus unerfindlichen Gründen zwar nur wenige aber dafür umso nachhaltiger – heruntergeklappte Kinnladen. Die Art, wie sie allerlei Country- und Southern-Rock-Referenzen, die die handelsübliche Indie-Band von heute aus Coolnessgründen wohl nicht mal mit der Mistgabel anpacken würde, zu einem in jedem Falle durchschlagenden, brandgefährlichen aber auch ungemein wohlschmeckenden Cocktail auf Whiskey-Basis zusammenrührten, pardon: schüttelten, war auch einfach zu erfrischend. Die darauf folgende gemeinsame Tour mit Two Gallants sorgte wohl für den Rest.
Jetzt steht mit „Furr“ schon das nächste Album vor der Tür bzw. dem Scheunentor und, was soll man sagen, es ist nichts anderes als eine riesengroße Überraschung. Von der so geliebten, ungestümen Überdrehtheit des Vorgängers scheint hier kaum noch etwas übrig. Die ein oder andere Delle ist zwar noch geblieben, aber insgesamt klingt das hier eher nach wohlproduziertem, ziemlich klassischen Country-Rock im Stile von Gram Parson’s Byrds oder Flying Buritto Brothers. Grund zur Enttäuschung mag man meinen, doch Blitzen Trapper wissen anscheinend ganz genau was sie tun, denn mit dem Zurückschrauben des „Beklopptheitsfaktors“ offenbaren sie auf einmal Qualitäten, die ihnen bisher niemand zugetraut hätte. Dabei herausgekommen sind nämlich unpeinlicher Südstaatenrock (“Gold For Bread“), wunderschöne Balladen – so etwas wie „Not Your Lover“ wäre samt seines John Lennon-Pianos auf „Wild Mountain Nation“ noch undenkbar gewesen – und vor allem formidable Popsongs („God and Suicide“, „Saturday Nite“), wie sie der C&W-Radiosender deines Vertrauens wohl leider niemals spielen wird. Und mit dem zweiten Hinhören gibt es sie dann eben doch zu entdecken, die vielen kleinen Spinnereien wie der dreiminütige Rockfreakout „Love U“ oder das unbeschreibliche „Echo/Always On/Easy Con“, das eine Pianoballade völlig unangekündigt und ziemlich unsanft in einem instrumentalem Progfinale enden lässt, die das Ganze um ein vielfaches sympathischer und cleverer erscheinen lassen als alles, wozu die versammelte „echte“ Country-Rock-Szene jemals in der Lage wäre.
Wo „Wild Mountain Nation“ der Soundtrack zur zünftigen Saloonschlägerei war, folgt nun mit „Furr“ ein Begleiter für die lange und abenteuerliche Fahrt auf dem Highway (oder zumindest der A2) gen Westen. Blitzen Trapper bleiben also weiterhin spannend und unberechenbar, auch wenn es beim nächsten Mal dann gerne wieder etwas verrückter zugehen darf.
7.0 / 10
Label: Sub Pop / Cargo
Spieldauer: 38:59
Referenzen: Drive-By Truckers, The Beatles, The Flying Buritto Brothers, Grateful Dead, The Meat Puppets, Creedence Clearwater Revival, The Hold Steady,
VÖ: 26.09.2008