Instrumentale Diffusion in der Praxis

Man steigt eine schmale Kellertreppe hinab und betritt einen kleinen, tür- und fensterlosen Raum. Analoge Klangerzeuger lehnen, neben abgegriffenen Gitarren, an den vollgeschmierten Wänden. Die rechte Seite des Raumes ist vollgestellt mit selbstgebauten 19-Zoll-Racks, in denen sich zahllose Effektgeräte stapeln. Überall quellen Kabel hervor und bedecken den grauen, betonierten Boden. Zwischen dem flächigen Schwarz der Kabelstränge taucht ein Laptop-Monitor den kargen Raum in ein bläuliches Licht. So ungefähr stellt man sich den Proberaum der drei Australier, beim ersten Hördurchlauf von „O Soundtrack My Heart“, vor. Mit ihrem zweiten Longplayer, im August auf Warp Records erschienen, macht es das Trio einem nicht immer einfach. Das dürfte auch niemanden wundern, denn Lieferant für seichte Unterhaltungsmusik war das britische Ausnahme-Label noch nie.

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Immer wieder bilden sich Risse, schälen sich neue Motive aus den alten und ranken sich an den tektonischen Beats entlang. Innere Brüche zeichnen sich ab, die verzerrte Gitarre kämpft im Staccato gegen das wummernde Schlagzeugspiel und die flirrenden Electronica-Elemente an. Eines steht fest: Die drei Jungs haben ihre Hausaufgaben in Sachen Mathematik gemacht – stellen die Formeln und Funktionen jedoch gerne auf den Kopf. Diese sind auch eher auf das Karopapier geschmiert als sauber abgetippt, denn der Sound bleibt, trotz aller elektronischer Spielereien, äußerst roh, was wohl Produzenten John McEntire (Tortoise) zu verdanken sein dürfte. Melancholische Elegie trifft auf verschrobene Klangerforschung. Klingt als würden From Monument To Masses gegen Black Dice antreten. Die Annahme, dass es sich hier eher um ein Match als um eine Kooperation handelt, drängt sich einem in den ungestümeren Momenten des Albums auf. Der cineastische Pathos bleibt, trotz der dadurch implizierten Inbrunst, weitgehend erhalten.

Didnt I Furious

Pivot entwerfen komplexe Landschaften, fahren diese in opulenten Cinemascope ab und lassen das Ganze wieder vor die Wand krachen. Was hier etwas destruktiv klingt, wirkt, durch gekonntes Timing, weitaus weniger brachial als anzunehmen wäre. Wenn auch keine gänzlich unbekannten Pfade beschritten werden, kombinieren die drei Australier bekannte Bausteine so geschickt zu einem neuen Muster, dass sich ein durchaus homogenes Gesamtbild einstellt. Bleibt nur zu hoffen, dass die folgenden 15, ebenfalls auf Warp geplanten, Veröffentlichungen dem Niveau standhalten können. Wer für ein Label eine Klausel über 16 Releases unterschreibt, hat aber sicher noch einiges vor. Wenn weiterhin brav Algebra gepaukt wird, dürfte dann wohl auch nichts schief gehen.

8.0 / 10

Label: Warp

Spieldauer: 48:40

Referenzen: Boards Of Canada, Battles, Don Caballero, Liars, Shellac, June Of 44, Fuck Buttons, From Monument To Masses

Links: Homepage, MySpace

VÖ: 15.08.2008

2 Kommentare zu “Review: Pivot – O Soundtrack My Heart (2008)”

  1. Pascal sagt:

    Die Sachen auf MySpace klingen wirklich absolut vielversprechend, werde mir die Platte auf jeden Fall besorgen müssen.

  2. Bastian sagt:

    Ich wohl leider (das leider bezieht sich auf meinen Geldbeutel) auch :)

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