Die Ankündigung eines neuen Releases der Geschwister Matthew und Eleanor Friedberger sorgt bei den Freunden unkonventionellster Klänge ja bekanntlich für begeisterte Luftsprünge. Bisher konnten selbst die vertracktesten und hinterlistigsten Widerhaken im Klanggehäuse der Band die Fans nicht schocken. Die Liebe und das Vertrauen, das die Anhänger ihren Lieblingen entgegen brachten, war scheinbar grenzenlos. Doch genau das wird mit dem neuen Werk mehr als je zuvor auf die Probe gestellt, denn auch wenn die Bekanntgabe einer Live-Platte mit 51 (!!) Stücken sicherlich schon für Verwunderung sorgte, konnte nicht im Ansatz erahnt werden, wie viele für selbstverständlich gehaltene Bräuche bei der Erstellung eines Live-Albums hier durch den Schredder gejagt werden. Denn eines sei vorweggenommen, mit einem gewöhnlichen Live-Album hat „Remember“ nicht das Geringste zu tun. Hier wurden Songschnipsel aus unzähligen Konzerten zusammengefügt, scheinbar beliebig aneinandergereiht und zu einem knapp 130-minütigen Medley geformt. Aber damit nicht genug, weisen die verschiedenen Teilstücke auch noch allesamt völlig differierende Klangqualitäten auf, so dass bei manchen Passagen der Klang nicht mal leiden würde, wenn er über die handelsüblichen Handys abgespielt würde. Die Herangehensweise ist so neu und so dermaßen von der Norm abweichend, dass sich sofort unterschiedlichste Meinungen bilden. So lassen bspw. die anfangs doch als sehr nervend empfundenen Unterschiede in der Klangqualität auch Raum für positive Aspekte, insbesondere dann, wenn man sich vorstellt, die Band bei einer Tour zu begleiten und dabei immer einen anderen Platz im Publikum einzunehmen, um später die unterschiedlichsten Eindrücke Revue passieren zu lassen und nach dem Shuffle-Prinzip übereinander zu legen. Da diese Vorstellungskraft aber nicht jedem gegeben ist und vor allem eine Menge Geduld und Kraft einfordert, wird sich die Gegenliebe erstmal in Grenzen halten.

Bei genauerer Betrachtung der Band wird aber wohl deutlich, dass sie gar kein anderes Live-Album hätte aufnehmen können. So setzt das „Zusammenschustern“ der einzelnen Parts zu einem Medley doch genau da an, wo sie mit ihren Studio-Alben schon einmal waren, nur ist diese Variante für Live-Alben bisher undenkbar gewesen. Natürlich ist es anfangs im Ganzen nicht hörbar, zumal Fiery Furnaces nicht Fiery Furnaces wären, wenn sie dem Hörer den Genuss nicht noch dadurch erschweren würden, indem sie eine fast vollkommen willkürliche Tracklist erstellen, bei der manche Songs als Ganzes acht Minuten gehen, andere wiederum in drei Teile aufgeteilt werden, die jeweils höchstens drei Minuten Länge vorweisen können, Auch bei der Namensgebung der Tracks herrscht auf den ersten Blick totales Chaos, so wird bspw. der erste Part von „Single Again“ eben wie der Song selbst genannt, bevor der Chorus dann ein zweites Mal in „Don´t Dance Her Down“ wieder auftaucht, nur um kurze Zeit später in „Single (Reprise)“ wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Puh! Da dieser Denkansatz das gesamte Album beherrscht, behindert es den wohlgesonnenen aber ohnehin schon vollends orientierungslosen Hörer ungemein in seinem Vorhaben, auch nur die geringst mögliche Struktur erkennen zu können. Weil das aber immer noch nicht reicht, setzt die Band noch einen drauf und stellt selbst die Songs an sich komplett auf den Kopf, eindrucksvollstes Beispiel hierfür ist wieder „Single Again“.  So stellt das Ende von „Single Again“ den Anfang dar, so dass die Fans schon nach einer Minute den Song beklatschen und erst dann folgt der Song an sich. Verwirrend, ja, sicherlich, aber eben genau dafür ist die Band doch bekannt. So gesehen gehen die Fiery Furnaces einfach „nur“ konsequent ihren Weg, der für einen Großteil aber wohl längst nicht mehr zu begehen ist. Ein klein wenig Trost gibt es aber trotzdem, sind doch sicherlich auch irgendwo Soundschnipsel von dem Konzert versteckt, bei dem man selbst anwesend war.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Fiery Furnaces ein unglaublich innovatives Werk geschaffen haben, was womöglich – das wird die Geschichte zeigen – später mal als die Referenz schlechthin gilt. Vielleicht, das wäre das Gegenteil, wird diese bisher doch recht einmalige Methode aber auch niemals wieder aufgegriffen und als „unhörbar“ abgestempelt. Dass die Band dieses Risiko eingegangen ist, verdient Respekt. Und der von Ökonom Schumpeter vor vielen Jahrzehnten ins Leben gerufene Begriff der „kreativen Zerstörung“ war wohl selten zutreffender als hier. In der Umsetzung allerdings sind einige Potentiale nicht voll ausgeschöpft worden. So bleibt den Anhängern wohl nichts anderes übrig, als weiterhin auf Live-Bootlegs zurückgreifen.

6.7 / 10

Label: Thrill Jockey / Rough Trade

Spieldauer: 131: 59

Referenzen: Matthew Friedberger, Deerhoof, Xiu Xiu, Sunset Rubdown, Animal Collective, Frank Zappa

Links: Homepage, MySpace, Thrill Jockey

VÖ.: 05.09.2008

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