Mit seinem inzwischen dritten Album scheint Kevin Martin aka The Bug nun endlich der längst fällige Durchbruch gelungen zu sein. Nach „Tapping The Conversation“ (1997) und „Pressure“ (2003) hat sich der gute Herr aus London erneut exakt fünf Jahre Zeit gelassen, um mit einem neuen Album aufzuwarten. Die im letzten Jahr veröffentlichten Singles „Poison Dart“, „Jah War“, beide via Ninja Tune veröffentlicht, und das über Hyperdub erschienene „Skeng“ gaben die Richtung vor und eigneten sich vor allem dazu, sich mit der Divergenz der Songs anzufreunden, denn das nun vorliegende „London Zoo“ ist so vielseitig und abwechslunsgreich, dass es seine Zeit braucht, um sich zwischen all den Beats und all den kreativen musikalischen Gastbeiträgen zurechtzufinden. Denn derer gibt es viele: Da wären neben Reggea und Dancehall-Veteran Tippa Irie, der dem Opener „Angry“ zu einem absolut wuchtigen, vor Wut und Kraft nur so strotzenden Bastard von Song verholfen hat vor allem Richy Ranking, an immerhin drei Songs beteiligt, Flowdan und natürlich Warrior Queen zu nennen. Auch wenn einem das jetzt erstmal nicht viel sagen mag, stehen diese Künstler stellvertretend für die unterschiedlichen Einflüsse, die an der Entstehung des Albums mitgewirkt haben. Außerdem bieten die differierenden Gastmusiker eine mögliche erste Antwort auf die Frage, warum es anfangs schwer fällt, dem Gesamtwerk auf die Schliche zu kommen. Denn wenn dieses Album eines einfordert, dann mit Sicherheit „Zeit“.

Dabei gibt direkt zu Beginn „Angry“ erst einmal nach außen hin vor, eine recht eingängige Tanznummer zu sein, die durch einen simplen Beat und düstere Vocals zusammengehalten wird. Mit jedem Hören wirkt der Beat aber ein wenig größer, druckvoller und gigantischer, während sich die Vocals von Tippa Irie gekonnt und zielsicher zwischen den Peitschenhieben positionieren. Etwas unspektakulärer kommt dann „Murder We“ daher und statt dem darauffolgenden „Skeng“ hätte es nahezu jeder Song eher verdient gehabt, als Single ausgekoppelt zu werden. Schon jetzt ist zu erkennen, dass die Diversität durch die zahlreichen Einflüsse zwar verstärkt wird, diese aber nicht allein als Grund ausreichen, um erklären zu können, warum das Werk sich als Ganzes so schwer tut. Der ungemein verzwickte Mix aus Reggae, Grime, Dub-Step, Dancehall, Hip Hop etc. klingt an einigen Stellen schier überwältigend, in anderen Momenten dann aber auch ziemlich gleichgültig. Und werden jetzt die häufig genannten – und ebenfalls dem gegenwärtigen Sound Londons zuzuordnenden – Referenzen herangezogen, lässt sich recht eindeutig sagen, dass es sowohl Burial als auch M.I.A. auf beeindruckende Weise geschafft haben, trotz absoluter Singletauglichkeit jedes einzelnen Songs das Album in den Vordergrund zu stellen. Das ist im Falle von Burial umso erstaunlicher, wenn man sich vor Augen hält, dass die LP-Version nicht nur 4 Tracks weniger umfasst, sondern selbst in zum Teil veränderter Reihenfolge noch funktioniert. Eben genau das ist The Bug nicht gelungen, hier mag fast jeder Track als einzelner funktionieren, eine klare Linie ist dabei aber nicht immer erkennbar. Das auf dieser LP einzig ohne Unterstützung entstandene Stück „Freak Freak“ weicht von der Stimmung bspw. komplett ab, hier werden die Parallelen zu Burial am ehesten sichtbar.

Dass es aber trotzdem eine Menge Gründe geben dürfte, sich mit dem Album auseinanderzusetzen, sind die ebenso zahlreich vertretenden Songs wie „Jah War“, „Fuckaz“ oder der etwas ruhigere Töne vorgebende Schlusstrack „Judgement“, die allesamt in ihrer Art einzigartig sind, die Stärken der einzelnen Musiker bestmöglich kombinieren und äußerst unkonventionelle Brocken darstellen, auf die unter keinen Umständen verzichtet werden sollte. Der absolute Killer-Track steht dann recht weit hinten, an elfter Stelle. „Poison Dart“ reißt von Beginn an vom Hocker, Warrior Queen hat so dermaßen mit ihrer Energie zu kämpfen, dass sie es gar nicht erwarten kann nach kurzem Intro endlich zu Wort kommen zu können, so dass sich die Stimme scheinbar mehrmals überschlägt, ganz so als würde sie von allen nur erdenklichen Ecken in das Mikro brüllen. Das ist so gekonnt inszeniert, dass sie den Eindruck hinterlässt, gegen sich selbst anzuschreien. Eigentlich sollte genau dieser etwas mehr als sechs-minütige, ungemein brachiale und dennoch verdammt tanzbare Hit allein sowieso als Kaufanreiz genügen, dafür würde sich selbst M.I.A. zerreißen;)

Schlussendlich bleibt aber festzuhalten, dass die Beats und der Flair Jamaikas zwar die ganze Zeit über dem Album schweben und bemüht sind, den roten Faden erkenntlich zu machen. Leider sollte dies aber nicht über die volle Laufzeit gelingen. Nichtsdestotrotz ist The Bug mit „London Zoo “ aber ein an Eigenständigkeit zu bewunderndes Werk gelungen, das ihn mit absoluter Sicherheit zu einer wichtigen Referenz werden lässt.

7.3 / 10

Label: Ninja Tune / Rough Trade

Spieldauer: 58:00

Referenzen: Burial,  M.I.A., Kode9, Benga, Dälek, Flying Lotus

Links: MySpace, Nina Tune

VÖ: 27.06. 2008

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