Auf Touren: Rock en Seine 2008 – Teil I
Es gibt Dinge die man einfach nicht tun sollte. Z.B. ein Album von Michael Wendler kaufen, Fan des FC Bayern München werden oder um 5 Uhr morgens aufstehen. Immerhin ist der Grund für diese Wahnsinnstat das Rock en Seine Festival in Paris, welches mal wieder mit einem hervorragenden Line-Up aufwarten kann. Dass Amy Winehouse allerdings schon zum zweiten Mal als Headliner verpflichtet wurde – letztes Jahr gab es schon die obligatorische Absage – kann man nur dem grenzenlosen Idealismus der Veranstalter zurechnen. Immerhin gibt es außer Frau Rehab auch genug Gründe das kleine aber feine Festival an der Seine zu besuchen: Die wieder erstarkten R.E.M., Justice live und direkt aus Paris und einer der seltenen Auftritte von Trip Hop-Legende Tricky dürften schon jeder für sich allein Grund genug sein mal ein Festival jenseits der teutonischen Gigafestivals wie Rock am Ring zu besuchen.
Bis dahin gilt es allerdings noch einige organisatorische Hürden zu nehmen, doch dank dem Internet und Social Networking findet man ja Gottlob schnell Begleitung und so setzte ich mich zwar hoffnungslos übermüdet aber denoch zweifelsohne aufgeregt in den Thalys Express, besonders aufmerksame Sparfüchse können hier dank Special Offer Angebote eine Fahrt ab 29 € buchen. Der Thalys kann mit recht bequemen Sitzen und einem sehr freundlichen Personal schon mal Sympathiepunkte einfahren und führt über Belgien nach knapp 4 h nach Paris (Gare du Nord), wo mich allerdings statt der versprochenen Hochsommer ein ziemliches durchwachsenes Wetter erwartet. Dort treffe ich meine erste Begeleitung Ana (mit einem N!), die sich in einem gleichen komatösen Zustand wie ich befindet und mich nach Kauf des 2 Tage-Tickets (75 Euro exkl. Camping) und einigen Fahrten durch die stickige Metro wieder zurück zum Gare du Nord führt, wo die Dritte im Bunde, Anna ( mit zwei N!), auch schon auf uns wartet und glücklicherweise ein Zelt dabei hat, meines wurde mir kurzfristig in Duisburg entwendet.
Zu dritt geht es nun zur Metrostation Gare du Austerlitz und anschließend über eine Brücke zu dem Festivalgelände, welches sich unscheinbar in einem Park im ruhigen Stadtteil Suresnes nahe der Seine versteckt. Der Check-In verläuft recht problemlos und die Security am Eingang wirkt entspannt und freundlich, für den deutschen Festivalbesucher sicher alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Überhaupt wirkt alles sehr gut durchdacht und organisiert, selbst die Anordnung auf dem Zeltplatz ist streng festgelegt. Und damit man auch im Delirium seinen Platz findet, wird sogar die Nummer auf dem Campingbändchen notiert.
Nach einem kalten Bierchen (von einem holländischen Hersteller dessen Name mit H beginnt) stürzen wir uns nun in das Festivalgetümmel, wobei der Begriff Getümmel fehl am Platz ist. Das Areal ist recht groß und besteht aus drei Bühnen, dem geneigten Festivalbesucher ja schon hierzulande bekannt. Hier gibt es also noch keine größeren Unterschiede auszumachen. Die bemerkt man erst nach den ersten regional bekannten Bands – unter anderem die Electro Rocker The Do`s -, als man sich zum ersten großen Namen zur Hauptbühne begibt und sich ca. 15 Minuten vor Beginn nur ein verloren wirkendes Grüppchen direkt vor Bühne befindet. Vergleichbar mit Ebbe/Flut verändert sich dieser Umstand allerdings rapide schnell, als sich schon währender der letzten Klänge auf der Nebenbühne die Reihen hinter uns füllen und es recht schnell eng wird. Als die Kaiser Chefs ihr Set mit „Everyday i Love you Less and Less “ beginnen, ist plötzlich Schluss mit der französischen Zurückhaltung und es wird gedrängelt, geschubst und mit gegrölt. Die Kaiser Chiefs haben von Anfang an die Menge in ihrer Hand und Ricky Wilson gibt wieder alles, sei es der Sprung in die vorderen Reihen oder das Entern eines Kamerapodestes. Die Zuschauer sind begeistert und so verliert man sich recht schnell aus den Augen, um danach verschwitzt die nächsten Bands zu besuchen. Vorher musste natürlich eine Stärkung her, allerings sind die Preise hier recht gesalzen, auch wenn 5 – 8 Euro längst Festivaldurchschnitt sind. Dafür findet man ein reichhaltiges Angebot von libanesischer über die französische Küche bis hin zu Kebap. Auch hier ist ein Unterschied zu bemerken: Während auf deutschen Festivals längst der Alkoholpegel steigt, hat man hier während der Auftritte die Atmosphäre eines Stadtfestes, wo Jung und Alt gut gelaunt nebeneinander sitzen und fröhlich schwatzend das Alltägliche besprechen. Besoffene Teenies sind hier trotz diverser Bierstände nicht auszumachen und so geht man angenehm entspannt den Rest des ersten Abends an.
Natürlich ist der Auftritt von Tricky Pflicht, der sich im Gegensatz zu Deutschland noch über eine große Menge Interessierter freuen darf, und so legt der einstige Grummler ein düsteren aber trotzdem motivierenden Auftritt hin, der sehr homogen wirkt und auch alte Klassiker wie „Christiansands“ im modernen groovebetonten Gewand präsentiert. Respekt vor dem kleinen großen Mann des Trip Hop, den ich nach jahrelanger Missachtung nach seiner Schwächephase wieder in mein Herz schließe. Der krönende Abschluss des ersten Tages ist natürlich der Auftritt von R.E.M., wo wir schon wieder bei alten Männer wären. Zumindest dachte ich das noch zu Beginn, doch Stipe und Co lassen sich ihr Alter nicht anmerken und ihr juveniler Auftritt passt somit perfekt zu dem Uptempo des neuen Albums „Acceralate“. Nur das Fehlen von „Nightswimming“ will ich ihnen nicht ganz verzeihen, aber das wären auch zu viele Nostalgieschübe an einem Tag gewesen.
supi geschrieben, stimmt alles – aber WO ist der zweite tag??!! den will ich jetzt aber auch noch sehen hier :-) und die fotos – ich sagte es ja schon – sehr schön geschossen! will ich haben! lg anna