Review: Wolf Parade – At Mount Zoomer (2008)
Die Geister des Prog
Im großen Sturm kanadischer Bands und Kollektive, der vor drei, vier Jahren zunächst Indie-Amerika und dann auch Europa gehörig durcheinanderwirbelte, gehörten Wolf Parade neben Arcade Fire und Broken Social Scene wohl zu den strahlendsten und hoffnungsvollsten Anwärtern auf das nächste ganz große Ding. Dabei hatte die Band um Spencer Krug und Dan Boeckner gar nicht soviel mit der typischen ausufernden Opulenz der beiden erstgenannten am Hut. Wolf Parade klangen schon damals wesentlich abgespeckter, ein bisschen als hätten sich Modest Mouse nicht in den 90ern im White Trash der amerikanischen Provinz gegründet, sondern im London der 70er zwischen Bowie und Roxy Music. Nach dem gefeierten Debüt „Apologies To The Queen Mary“ widmeten sich die Mitglieder dann erst einmal zahlreichen anderen musikalischen Ideen, die Nebenprojekte zu nennen wohl einer ziemlichen Beleidigung nachkäme. Gleich zwei hervorragende Alben von Spencer Krugs Sunset Rubdown belegen das mehr als deutlich.
Jetzt jedenfalls, drei Jahre später und von vielen heiß erwartet, folgt Album Nr. 2. Wieder geht die Reise in die 70er, doch heißt das Schlagwort diesmal weniger Glam sondern vielmehr Prog. Zwar überschreitet keiner der 9 Songs die 10 Minuten-Marke und „At Mount Zoomer“ ist auch kein Konzeptalbum über religiöse Verschwörungstheorien geworden, aber dennoch findet hier ein Bruch mit dem energischen scharfkantigen Indierock des Debütalbums statt. Wolf Parade haben ein wahres Rock-Monster geschaffen und beschwören ohne Ängste eine musikalische Ära, die in den Rocklexika nach 1977 meistens doch eher nicht so gut wegkommt. Die Song sind mehrheitlich wesentlich komplexer als alles was die Band bisher veröffentlicht hat. Sie entstanden in nächtelangen Jamsessions im Kirchenstudio von Arcade Fire und wurden dann aus unterschiedlichsten Parts zusammengesetzt. Experimentiert wird an allen Ecken und Enden. Anstatt der griffigen Melodien des Vorgängers gibt es jetzt lange Instrumentalparts die auch mal ins Psychedelische abdriften, wie im aus zwei Teilen bestehenden Schlussstück „Kissing The Beehive“.
So weit so Pink Floyd. Wie konsequent und richtig dieser neue Ansatz aus Sicht der Band auch sein mag, ihre Stärken spielt sie damit nicht aus. Ihre theatralische, verspielte und gleichzeitig noch immer ziemlich kompakte Variante von Indierock war wohl für die Meisten noch längst nicht ausformuliert. Zwar hat auch „At Mount Zoomer“ mit dem Opener „Soldier’s Grin oder „Call It A Ritual“ erstklassige Songs zu bieten und gelegentlich, wie in „California Dreamer“, blitzen auch die Vorzüge des neuen experimentellen Ansatzes auf, die konzentrierte mitreißende Energie von Übersongs wie „Shine A Light“ wird auf diesem Album jedoch selten bis nie erreicht. Allzuoft verheddern sich die Stücke in ziellosem Herumgedaddel, sodass vom brillanten Songwriting Wolf Parades kaum noch etwas erkenntlich bleibt. Der Grenze zum schnöden Muckertum kommt die Band, ähnlich ihren Kollegen von Menomena, mehr als nur einmal gefährlich nahe.
Dennoch. Mit „At Mount Zoomer“ beweisen Spencer Krug und Dan Boeckner abermals, wie schon in ihren zahlreichen Seitenprojekten, Mut zur Weiterentwicklung, Vielseitigkeit und vor allem enormes musikalisches Talent. Die daraus zu folgernde Aussicht auf viele weitere große Alben sollte darüber hinwegtrösten, dass sie diesmal wohl etwas über das Ziel hinausgeschossen sind. Mal sehen wohin uns die Reise beim nächsten Anlauf der Beiden führt, es könnte auf jeden Fall spannend werden.
6.7 / 10
Label: Sub Pop / Cargo
Spieldauer: 46:42 min.
Referenzen: Sunset Rubdown, Modest Mouse, Arcade Fire, Menomena, Talking Heads, Of Montreal
VÖ: 20.06.2008
Kann mich mit der Rezension komplett identifizieren, Bewertung wäre auch haargenau dieselbe gewesen;)
hehe!
nene, die bewertung geht ja mal garnicht. besser als das debut ist es allemal. ;)
Dem Debüt würde ich 8.3 – 8.7 geben, in meinen Augen also mehr als deutlich besser.