ShameSongs Of Praise

Nach Protomartyr, Ought oder im vergangenen Jahr Idles schicken sich Shame an, der nächste Heilsbringer in den eher rauhen Gefilden des Postpunk zu werden – wobei sich die fünf Jungs aus Brixton auf ihrem Debüt „Songs Of Praise“ zuweilen ziemlich verausgaben. Zwischen all den lärmigen Passagen erwischen sie bisweilen erstaunlich klangvolle Melodien, die durch die raue, illusionsentleerte Stimme von Sänger Charlie Steen jedoch in den grauen Alltag zurückgeführt werden.

Shame beherrschen die Klaviatur des (Post-)Punks beispielhaft wie einst die anarchischen Vorbilder der späten 70er- und frühen 80er-Jahre. Arbeiterviertel, Anarchie, Backsteinsiedlung, dazwischen Desillusion und Tristesse, aber eben auch Wut. Viel Wut. Mit dumpfem Groll, zuweilen auch mal bellend wie Mark E. Smith oder Howard Devoto stemmt sich Steen den garstigen Gitarren entgegen. Das Tempo ist mal halsbrecherisch und erinnert wie im pumpenden „Lampoon“ auch schon mal an Wegbegleiter wie Sleaford Mods. Im Gegensatz dazu steht das gemächliche, in psychedelischen Schlieren schwebende „Angie“, welches als Schlussakt fast ein wenig Versöhnung predigen will, ob des ganzen vorab entgegengespuckten Ärgers.

Es sind graue Worte, die Steen im herausragenden Eröffnungsstück „Dust On Trial“ mit heiserer Stimme in den bewölkten Himmel schreit: „A land of pure confusion/ known only to the wise/ where satisfaction is devoured/ dominated and despised.“ Zuversicht und Gottvertrauen hören sich im Jahr Zwei nach Brexit anders an. „Concrete“ setzt der tonlosen Gesangsweise nach vorne stürmende Rhythmik entgegen, während „One Rizla“ geschmackvolle Indiepopmelodien mit perlenden, zupackenden Gitarren verbindet. Dabei beschreibt Steen mit seinen gerade mal knapp zwanzig Jahren in harten, aber realistischen Worten Alltägliches, allzu Menschliches, aber eben auch augenscheinlich Unerträgliches.

Im dunklen „The Lick“ kotzt Steen allem vor die Füße, was sich ihm in den Weg stellt. Brutal, geradezu schonungslos spricht er sich durch dystopische Vorstellungen, während das kurze, schmerzhafte „Donk“ wie ein Schlag in die Magengrube wirkt. „Songs Of Praise“ ist grundsätzlich angriffslustig und mutig, nicht resignativ oder trostlos. Gerade die im Kontext des Albums angepoppten „Gold Hole“ und „Friction“ tragen darüber hinaus eine gewisse positive Energie im Kern, die nicht nur durch die bei New Order geliehenen Pendelgitarren und den leidlich versöhnlicheren Ton in Steens Vortrag zum Vorschein kommen. Dass es Shame, die sich ursprünglich eher aus einer Laune heraus gegründet haben und der britischen Hausbesetzungszene nahestehen, auf Albumlänge gelingt, ihre Wut, ihren Sturm und Drang und ihr Land und dessen düstere Zukunftsperspektiven musikalisch zu packen und an den Hörnern durch den Ring zu ziehen, ist dabei Glücksfall und Folge zugleich. Man merkt den fünf genau das an, was derzeit sicherlich in vielen Köpfen herumschwirrt – nur gießen sie es wie Öl ins Feuer und entfachen einen Schwelbrand, der sich irgendwo zwischen „Dust On Trial“ und dem Schlußakkord „Angie“ in die Hirnrinde gebrannt hat.

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