AllttAThe Upper Hand

Die beiden Mitglieder von AllttA begegneten sich zuerst 2004 in Nantes. Seitdem arbeiteten der französische Produzent 20syl und Rapper Mr. J. Medeiros aus Los Angeles immer wieder zusammen, aber erst für „The Upper Hand“ bildeten sie zwölf Jahre nach ihrer ersten Begegnung endlich eine Formation. Das Titelstück „AllttA“ zu Beginn steckt dementsprechend den typischen HipHop-Lebenslauf ab: Woher kommst du? Was macht dich zu dem, was du bist? Wie kamst du zu dem, was du machst? Untermalt ist das von gut gelaunten Videospiel-ähnlichen Sounds und Oldschool-Versatzstücken.

Auf den ersten Blick wirkt der Name AllttA wie eine Kombination aus bestem deutschem HipHop-Slang und kreativer Orthografie. Mit Hamburger oder Berliner Posses hat er allerdings wenig zu tun, sondern steht abkürzend für „A little lower than the Angels“. Hinter dem wenig bescheidenen Pseudonym steckt ein elektronischer, aufgeheiterter Sound, der sich konsequent durch „The Upper Hand“ zieht und damit einen Gegenpol zu kontemporär trap-infiziertem Rap à la Danny Brown, Mykki Blanco oder View bildet, welcher oft düster anmutet und das Brachiale und Sperrige zelebriert.

Bei AllttA gibt es Dur statt Moll, weiche Beats, sonnige Synthesizersounds und thematisch dichte Texte. Die makellose Produktion klingt nach perfekt beherrschtem Handwerk – schließlich konnte 20syl als Produzent und Rapper mit seinem DJ-Team C2C schon vier französische Grammys und Doppel-Platin-Verkäufe auf seinem Konto verbuchen. Mit seiner Band Hocus Pocus veröffentlichte er weitere vier Alben und remixte außerdem für Schwergewichte wie Kendrick Lamar, Ed Sheeran und Schoolboy Q. Derweilen war Mr. J. Medeiros als Produzent, Songwriter, Sänger und Rapper solo oder in den Bands The Procussions und KNIVES aktiv. „The Upper Hand“ kondensiert also einiges an Talent und Erfahrung auf Albumlänge.

Medeiros‘ Flow und Stimme erinnern oft an Kendrick Lamar, singen kann er aber auch noch, wie er im Refrain der meisten Songs beweist. So erteilt er in der Leadsingle „Drugs“ ebenjenen eine gesungene und gerappte Absage: „I was prepared to be in my underwear, singin‘, surfin’/ All I got was really hungry, self-aware and thirsty“, rappt Medeiros und lästert über Kollegen, die keine anderen Themen kennen als Blunts und High-Sein – und dabei nicht mal gut reimen können. „I will find my own way“, singt er wie zur Selbstversicherung zum Thema Rauschmittel. Es folgen vornehmlich politisch angehauchte Songs über soziale Probleme, Religion, Diskriminierung („Kismen“), Zukunftsängste („Million Dreams“) und auch lyrische Ausflüge ins Familienleben („Baby“).

Nach sechszehn Albumtracks zeigt sich, dass AllttAs größte Stärke gleichzeitig ihre größte Schwäche ist: Die Produktion und die durchgeplanten Texte wirken je nach Perspektive makellos und perfekt oder aalglatt und ohne Widerhaken fürs Gedächtnis. „The Upper Hand“ geht ohne Umwege ins Ohr und macht gute Laune, aber es braucht so einige Durchläufe, bis von den Songs mehr als eine positive Grundstimmung hängen bleibt. Ob das nun unbedingt ein Kritikpunkt sein muss, sei mal dahingestellt. Sinnvoll verbrachte Zeit sind die 55 Minuten allemal.

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