HVOB sind die Profis im Bereich des sphärischen Deep House. Die Abkürzung steht für Her Voice Over Boys und genau dieses „over“ ist stilgebend für die Musik des Wiener Duos, die einen riesigen Klangraum erschafft und ihn neben sparsamen Sounds und Beats vor allem mit einer Stimme füllt. Diese gehört Anna Müller und „betörend“ ist dafür das richtige Adjektiv, schon auf „HVOB“ (2013) und „Trialog“ (2015) war der Gesang so eindringlich und packend, dass sich die Platten über Wochen in der Musikanlage festsetzten.

„Silk“ beginnt in dieser Hinsicht nun, weitere zwei Jahre später, mit einer Überraschung: Nach moll-getränkten Akkorden kommt bei „The Blame Game“ nicht etwa Müller aus den Lautsprechern, sondern eine ungewohnte, männliche Stimme. Sie gehört dem Londoner Gitarristen und Musiker Winston Marshall, der die neuen Tracks mitkomponierte und -produzierte und somit maßgeblich für die Anmutung der aktuellen HVOB-Soundwelt mitverantwortlich ist. Ihm könnte auch der erstaunlich sperrig-noisige Mittelteil des Eröffnungstracks geschuldet sein, der in seiner Düsternis und Verzerrung tatsächlich Neuland darstellt, das vorher höchstens in „Azrael“ etwas anklang.

Ansonsten folgt „The Blame Game“ dem gewohnten HVOB-Spannungsbogen: erst ein langsames Aufbäumen, gefolgt von einem energischen Höhepunkt und letztendlich ein melancholischer, desillusionierter Schluss. Der Song endet mit der Frage: „Is there any tea left?“ Inwiefern das mit den Schuldzuweisungen des Titels zu tun hat, weiß wohl nur die Band, aber der Sound erfüllt seine Aufgabe einmal mehr perfekt. Von allen sieben Tracks geht „Deus“ am meisten nach vorne. Ein treibender Bass gibt nach einer Minute Intro das Tempo vor, nach und nach mischen sich Hits und Hihats in verschiedenen Rhythmen dazu.

Zieht man „Astra“ und „Glimmer“ als Zwischenspiele ab, bleiben neben der Vorabsingle „The Blame Game“ vier weitere Tracks, die dank ihrer Länge von fünf bis sieben Minuten letztendlich eine Laufzeit von 35 Minuten ergeben. So richtig Album nennen kann sich „Silk“ insofern eigentlich nicht – das per se als Minuspunkt zu verbuchen, wird der Platte aber nicht gerecht, denn HVOBs Musik war schon immer dafür prädestiniert, auf Dauerschleife zu laufen. In der flächigen, progressiven Klangästhetik ist das bereits so angelegt und daran ändert sich auch auf „Silk“ rein gar nichts.

Nach Touren über den ganzen Planeten und Gigs beim Burning Man Festival, auf der chinesischen Mauer, im Boiler Room und für ARTE in Paris müssen Müller und Paul Wallner niemandem mehr ihr Können beweisen, sondern interpretieren stattdessen mit neuem Input von Winston Marshall ihr Konzept neu. Brachten die vorigen Alben noch in erster Linie Tracks mit Vocals, ist daraus jetzt auf „Silk“ eine songähnlichere Struktur geworden – „Torrid Soul“ hat fast schon so etwas wie einen wiederkehrenden Refrain. Die größte Veränderung bleibt aber die neue, samtige Stimme Marshalls, die alles Gewohnte perfekt ergänzt. „Hands Away“ begleitet pianoschwanger aus dem Minialbum heraus und dann kann es auch schon wieder losgehen mit der seidig-weichen Betörung.

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