Julianna BarwickWill

Das DIY-Choral bildet seit jeher die Essenz von Julianna Barwicks Werken. Zunächst skizzenhaft begann sie 2006 auf ihrem selbstveröffentlichten Debüt „Sanguine“ damit, ihre nachhallenden, wortlosen Gesänge mehrspurig zu samplen und schichten, dass es einem Griff nach dem Firmament gleichkam. Über mehrere Alben und EPs raffinierte die Amerikanerin ihren Sound zu anmutiger Klarheit und expandierte ihre Kompositionen um synthetische wie auch klassische Instrumente, sogar Perkussion, die sie in komplexere Arrangements und ein Songwriting mit ausformulierten Texten einband. Ihre multiplizierte Stimme trat dabei nie zurück, im Gegenteil, immer grandioser schien Barwick sie in Szene zu setzen. „Will“, ihr viertes Album, kehrt davon ab.

Dem Vorgängeralbum „Nepenthe“ kommt am nächsten noch das Stimmenmeer „Someway“, es ist jedoch so wenig repräsentativ für „Will“ wie das anschließende Finale „See Know“, das jazzig gelockertes Schlagzeugspiel unter eine laute, repetitiv geloopte Synthmelodie setzt. Ein melancholischer Schleier liegt auf Stücken wie „Beached“, wo eine vereinzelte Gesangsstimme ohne Begleitung zurückgezogen raunt – Introversion anstelle des gewohnt ekstatischen Aus-sich-heraus-Gehens. Auch als Barwick gegen Ende falsettiert nach oben steigt, ist sie mehr Textur, über ihr geben ein volltönig hallendes Piano und Streicher die verwobene Melodie an. Dermaßen veränderte Parameter könnten ihre Wirkungsformel zerstören, doch durchdringt auch Barwicks Hinwendungen zum Moll eine zugleich nahbare und unergründliche Wohlheit.

Schließlich zeichnen ihre Stücke in komprimierter Form weiterhin ein graduelles Aufwallen nach. Auf gesenkter Temperatur nähern sich in „Big Hollow“ frakturierte Stimmen einander über tiefenresonanten Bassnoten vorsichtig an, werden in Tastenbegleitung verhalten fordernder und länger anhaltend, bis sie nach mehreren Minuten den Raum füllen. Geige und Cello sprudeln in das Crescendo des durchrauschten „St. Apolonia“ und auch bei „Heading Home“, nie von Beginn an, sondern mittig einsetzend. Auf kleinerem Gesamtvolumen ist Barwick delikater denn je im Füllen ihres Klangraums, der auf „Will“ Ecken und Kanten besitzt. Was jedoch beim ersten und auch zweiten Hören verwundert, ist der Moment, als bei „Same“ im Duett die sehnsuchtsgefüllte Stimme von Thomas Arsenault alias Mas Ysa ertönt.

Es ist nicht ihre erste Kollaboration, doch schienen Barwicks Solowerke immer ein Individuum zu zeigen, das ohne Antwort nach außen greift. Dem setzt sie nun erstmals eine Begrenzung, zugleich hat sie allerdings damit begonnen, diese an anderer Stelle zu überschreiten. Beides reflektiert ein neues Maß an Experimentierlust, die der Erhabenheit von „Will“ neue Facetten verleiht.

Einen Kommentar hinterlassen

Platten kaufen Links Impressum